„Wir, das Volk, sind Kirche Gottes”
(sbr) Dr. Willy Manzanza ist seit Juni 2007 Pfarrer von St. Mauritius, der Kirche, die dem schwarzen Heiligen Mauritius geweiht ist und dem Moritzberg seinen Namen gegeben hat – Mauritius (lateinisch) heißt auf Deutsch „Moritz”.
Pfarrer Manzanza stammt aus der Demokratischen Republik Kongo, früher Zaire. Dort hat er als Pfarrer und als Schulleiter gearbeitet. In Bonn schloss er 2003 ein Promotionsstudium in Theologie ab, anschließend war er als Studentenseelsorger in Aachen und als Pfarrer in Gifhorn eingesetzt. Seit September 2006 – Pfarrer Berkefeld hatte nach knapp fünf Jahren auf dem Berge die Pfarrgemeinde gewechselt – ist Dr. Manzanza in der Mauritiusgemeinde für die Seelsorge zuständig. Zunächst war er als Pfarrvikar, als Vertreter für einen regulären Pfarrer angestellt. Am 24. Juni 2007 wurde ihm dann offiziell die Pfarrstelle für die Gemeinden St. Mauritius und St. Michael (Marienrode) übertragen. Seitdem hat er die Leitung der beiden Gemeinden.
Manzanza ist zufrieden mit dem Gemeindeleben, das er auf dem Moritzberg vorgefunden hat: „Dies ist eine sehr aktive Gemeinde; alle Schichten, viele kompetente Menschen, auch viele junge Familien mit Kindern, nehmen am Gemeindeleben teil.” Engagement und die Bereitschaft, in der Kirche mitzuarbeiten, kommt auch von den Eltern der zur Gemeinde gehörigen Mauritiusschule und des katholischen Kindergartens. Etwa 50 Messdiener stehen für die Messfeiern zur Verfügung, junge Leute nehmen aus eigener Überzeugung – nicht bloß pro forma – an der Firmung teil. Die Arbeitskreise der Gemeinde sind gut besetzt. „Das Bewusstsein: ‚Dies ist unsere Kirche, wir tragen sie mit’ zeigt sich in der hohen Beteiligung an den kirchlichen Ämtern. Das ermutigt mich in meiner Arbeit”, sagt Manzanza.
Der 45-jährige Pfarrer ist aus seinem Heimatland an viel Eigeninitiative der Gemeindemitglieder gewöhnt. Das hohe Engagement ist dort eine Notwendigkeit, denn die Pfarrgemeinden sind oft so groß wie ein ganzes Bistum in Deutschland. Die Dörfer sind in kleinen christlichen Gemeinschaften organisiert, die für sich selbst sorgen. Der Pfarrer in solch einer großen Gemeinde kann zum Beispiel nicht bei den Beerdigungen dabei sein. Laiengemeindeleiter sind zuständig für die Verwaltung, für die Verkündigung und für die Vorbereitung der Sakramente. Im besten Fall kommt der Pfarrer einmal im Monat in eines der Zentren der Pfarrei, in denen jeweils wieder rund zehn Dörfer zusammengefasst sind.
„Die römische Kirche legt Wert auf die Person des Priesters”, erklärt Manzanza. „Im Zentrum ihres Glaubensverständnisses stehen die Sakramente, und die kann nur ein Priester spenden. Häufig begegnet man deshalb der Einstellung: ‚Ohne Priester gibt es keine Gemeinde‚. In Afrika ist hingegen – aus der Not und dem Priestermangel – das Bewusstsein stark verbreitet: ,Wir alle, das Volk, sind Kirche Gottes’.”
Dieses Verständnis von Kirche möchte Manzanza in Deutschland, wo er sich seinem Gefühl nach vorübergehend aufhält, vermitteln. Hier befindet sich die Kirche im Umbruch, die Zahl der Kirchenmitglieder schwindet, es gibt immer weniger Priester, Gemeinden werden zusammengelegt. Man fürchtet um den Bestand der örtlichen Traditionen, um den Bestand der Kirche überhaupt. „In dieser Situation können wir von den Verhältnissen in Afrika lernen”, sagt Manzanza.. „In Europa hat die Kirche eine lange Tradition, sie war in eine wohlhabende Gesellschaft eingebettet, dadurch war sie verwöhnt. Aber man kann auch mit wenig Geld Kirche sein. Der Glaube spielt die entscheidende Rolle, nicht das Geld – es ist nur ein Mittel.”
Manzanza hat bislang kein Arbeitsprogramm für Projekte innerhalb der Mauritiusgemeinde erstellt. Sein wichtigstes Anliegen ist ein seelsorgerisches: den Glauben mit den Menschen vor Ort zu leben – Glauben nicht als leere Form, als „Blabla”, oder nur rational mit dem Kopf akzeptiert, sondern mit dem Herzen, mit den Gefühlen, ganzheitlich erlebt. „In Afrika schöpfen die Menschen wirklich Kraft aus dem Glauben. In Deutschland erscheint der Glaube dagegen oft als ein bisschen kalt, als vorgegebene soziologische Form. Ich möchte mit meiner Arbeit als Pfarrer bewirken, dass die Menschen den Glauben als tragende Kraft in ihrem Leben entdecken. Und sie sollen verstehen: ‚Kirche ist unsere Sache, wir selbst sind das Volk Gottes’. Durch intensives Mitgestalten von Glauben und Gemeindeleben werden sie die Angst vor Krisen und neuen Strukturen verlieren.”
Die Kommunikation fällt Manzanza leicht, er strahlt Wärme und Ruhe aus. Als erstes von zehn Kindern ist er in einfachen Verhältnissen auf dem Land aufgewachsen, seine Schulzeit verbrachte er im christlichen Internat. Er fühlt sich „eigentlich immer unterwegs”, nicht an einen bestimmten Ort gebunden. Gern wartet er ab, was auf ihn zukommt, ohne sich aufzudrängen.
Seit vier Jahren ist Manzanza im Aufbau einer Grund- und Sekundarschule in einem Dorf in der Demokratischen Republik Kongo engagiert, unterstützt durch deutsche Freunde und Pfarrgemeinden. Sein neuestes Projekt ist die Errichtung eines Berufsbildungszentrums mit handwerklichen Ausbildungsbereichen und einer Krankenpflegeschule in einem Ort an der Straße zwischen der Hauptstadt Kinshasa und dem Bischofssitz Kikwit. Für dieses Vorhaben steht eine Zusammenarbeit mit dem Hildesheimer Verein Arbeit und Dritte Welt e.V. in Aussicht. Gern referiert der neue Pfarrer von St. Mauritius und St. Michael über diese Projekte und erzählt vom Alltagsleben in der Demokratischen Republik Kongo – wenn man ihn darauf anspricht.
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