Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 180 · Januar 2008
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Moritzberger Felsenkeller

Schatz im Untergrund in neuem Licht

(sbr) Im Jahr 2008 möchte der Moritzberger Verein Kultur und Geschichte vom Berge einen Schatz ans Licht bringen, der seit 135 Jahren im Krehlaberg ruht: den sogenannten Felsenkeller unter der Kindertagesstätte Zierenbergstraße. Der nur wenige Jahrzehnte genutzte Brauerei-­Eiskeller, im feuchten Untergrund gut erhalten, soll so weit instand gesetzt werden, dass er für die Öffentlichkeit wieder zugänglich wird. Dafür muss Schutt ausgeräumt, entschlammt und die Bodenpflasterung saniert werden. Haustechnische Installationen sind notwendig – besonders eine feuchtigkeitsresistente Elektroinstallation, damit Besichtigungen bei Licht erfolgen können. Und ein Ein- und Ausgang an der Elzer Straße, der im zweiten Weltkrieg als stufenloser Zugang zum Luftschutzkeller angelegt wurde, soll geöffnet werden.

Sabine Brand
Der sog. „Felsenkeller”, früher Eiskeller der Victoria-­Brauerei, soll für kulturelle Veranstaltungen nutzbar gemacht werden – im Bild aufgehängte Fundstücke einer Installation im Bierlagerkeller

Seit 1992, geweckt durch die Rauminstallation „Schattenbilder” einer Kunst-­Projektgruppe der Uni Hildesheim, kreist das öffentliche Interesse immer wieder um den Eiskeller. Im November 2000 wurde er unter Denkmalschutz gestellt, Eigentümerin ist die Stadt Hildesheim. Ungelöst sind die Schwierigkeiten, den Schatz im Untergrund auf Dauer zu erhalten. Zur Wiederbelebung der Diskussion um den Felsenkeller lädt der Verein Kultur und Geschichte vom Berge am Freitag, dem 25. Januar 2006, um 19 Uhr zu einer Auftaktveranstaltung in die Kindertagesstätte Moritzberg, Zierenbergstraße 69, ein. Dazu sind Fachleute der Denkmalpflege eingeladen sowie alle interessierten Bürger. Mit ganz besonderem Interesse sucht der Kulturverein nach Zeitzeugen, die den Felsenkeller noch aus den Jahren vor und während dem zweiten Weltkrieg kennen. Sie werden gebeten, sich unter Tel. 2 41 20 zu melden, wenn sie nicht zu der Veranstaltung kommen können, aber aus jenen Jahren erzählen mögen.

Der Felsenkeller wurde 1872 von der Hildesheimer Brauereigilde an der Westseite der Elzer Straße neben der Gaststätte „Zum Felsenkeller” gebaut. Für die Bierbrauerei auf der gegenüberliegenden Straßenseite bot er die notwendigen Kühl- und Lagerräume. Schon 1906 wurde der Brauereibetrieb, zuletzt in Händen der „Victoria-­Brauerei”, nach Verkauf an die Hildesheimer Aktienbrauerei eingestellt. In die Brauereigebäude zog 1920 die „Gürtel- und Hosenträgerfabrik Bartels und Nord” ein. Über die Nutzung des Eiskellers in den Jahren 1906 bis 1939 ist bislang nichts bekannt. Im zweiten Weltkrieg nutzte man den Eiskeller als Luftschutzraum. Am 22. März 1945 wurden Gaststätte und Hosenträgerfabrik durch Bomben zerstört. Der Eiskeller wurde zwar getroffen, hielt aber den Bomben stand. Bis 1957 war er für die Kinder aus der Nachbarschaft ein natürlicher Abenteuerspielplatz – mit Kampfmittelresten wie Stabbrandbomben. Dann wurde er zugemauert. 1960 bis 1961 entstand über dem Eiskeller der Bau der Kindertagesstätte Zierenbergstraße auf einer Betonpfahlgründung, die das Kellergewölbe nicht belastet.

Der Felsenkeller hat Jahrzehnte im Untergrund geschlummert, bis die Denkmalpflege ihn entdeckte. Er wird heute als außergewöhnliches und einzigartiges Baudenkmal geschätzt. Eindrucksvoll führt er ein Stück Industriegeschichte vor Augen: wie vor den Zeiten elektrischer Kühlgeräte große Mengen Bier im Sommer kühl gehalten wurden. Die klare lineare Architektur des Eiskellers und seine Maße – bis neun Meter Höhe – sind seine zweite Besonderheit. Der Besucher fühlt sich in den handwerklich sehr sauber erstellten Backstein-­Gewölben an kirchliche Bauten erinnert.

Sabine Brand
Über die Eisrutsche in neun Metern Höhe wurde bis 1906 Eis in den Eislagerkeller befördert, um Bier zu kühlen

„Der Moritzberger Eiskeller ist durchaus ein Schatz von überregionaler Bedeutung”, urteilt Stefan Beate von der Denkmalbehörde der Stadt Hildesheim. „Er ist ein ganz wichtiges Zeitzeugnis – das gibt es in Niedersachsen nicht noch einmal. Mit liegt viel daran, seine Erhaltung auf Dauer auf den Weg zu bringen.” Ähnlich urteilt Ulrich Pagels vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege in Hannover. Seine Behörde hat bereits in 2006 Mittel für die dringlichsten Sanierungsarbeiten in Aussicht gestellt. Auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz zeigt Bereitschaft, sich an den Kosten beteiligen.

Für die Denkmalpflege ist es eine glückliche Fügung, dass der Felsenkeller so lange den Dornröschenschlaf schlief – hinter einer unansehnlichen, unauffälligen Tür verborgen. So wurde er nicht geteilt und verbaut wie der zweite Moritzberger Eiskeller, der zur ehemaligen Mauritiusbrauerei gehörte und heute unter der Seniorenresidenz und „Meyer’s Treppchen” an der Brauhausstraße liegt. Der Felsenkeller blieb fast unbeeinträchtigt im Originalzustand erhalten – aber eben nur fast. Geschadet haben ihm offensichtlich Umbauten im Eingangsbereich, die noch nicht genau datiert werden können. Dort wurden vor dem zweiten Weltkrieg Eisenträger eingezogen, die mittlerweile durchgerostet sind. Im Sommer 2006 bestand akute Einsturzgefahr, bis die Stadt Hildesheim Holzstützen einbauen ließ. Der Pfusch am originalen Bauwerk setzte sich fort, als der Eiskeller Ende der fünfziger Jahre dicht gemacht wurde – durch Stahltüren, die jeden Luftaustausch mit der Außenwelt verhindern und durch Verschließen der Entlüftungsschächte von den Gewölbescheiteln nach draußen. Vermutlich dadurch wurde der Keller immer feuchter, es tropft von den Wänden, der Boden ist mit Pfützen und Schlamm bedeckt.

Sabine Brand
Ein gut durchdachtes Kühlsystem ohne Elektrik: Über diese Schächte wurde Kaltluft vom Eislager in die Bierlagergewölbe geleitet

„Im Eingangsbereich des Eiskellers muss dringend etwas getan werden”, bestätigt Harald Ide vom Vorstand des Moritzberger Kulturvereins. „Wenn wir noch Menschen finden, die wissen, wie der Eingang aussah, ehe er umgebaut wurde, dann könnten wir vielleicht den Originalzustand wieder herstellen und das Problem mit der Raumfeuchtigkeit in den Griff kriegen.” Der Kulturverein hat in den neunziger Jahren die Denkmalpflege auf den Keller aufmerksam gemacht und erste Schutträumarbeiten im Verlauf eines ABM-­Projekts organisiert. Mit Archivrecherchen und praktischer Unterstützung begleiteten seine Mitarbeiter die bauhistorische Untersuchung des Kellers durch den damaligen Architekturstudenten Alexander Busse. Seit dem Jahr 2000 bietet der Verein Führungen durch den Eiskeller an. Jetzt arbeitet er an einem Finanzierungsplan, damit die wichtigsten Sanierungsarbeiten in Angriff genommen werden können. Ein Vertrag mit der Stadt Hildesheim soll die zukünftige kulturelle Nutzung des Kellers durch den Verein absichern.

Sabine Brand
Einbauten im Eingangsbereich mit seiner engen Treppe schaden dem Bauwerk und gefährden die Besucher. Deshalb soll ein Zugang aus Luftschutzzeiten wieder geöffnet werden.

Sanierung, Finanzierung und Nutzung – das werden die Themen der Auftaktveranstaltung am 25. Januar sein. Im ersten Etappenziel sind die Denkmalpflege und der Kulturverein sich einig: Um den Eiskeller für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, muss ein Klima geschaffen werden, in dem Menschen sich wohlfühlen. Das erfordert: Gefahrenbeseitigung, Licht ins Dunkel, einen bequemen Eingang und relative Trockenheit. Die Kosten allein für diese kurzfristig notwendigen Maßnahmen werden auf 70- bis 80­tausend Euro veranschlagt.

Ein interessantes Nutzungskonzept zu erstellen ist das zweite Etappenziel. „Wir stellen uns vor, dass der Verein Kultur und Geschichte vom Berge eine Art Patenschaft für den Eiskeller übernimmt”, erklärt Denkmalpfleger Beate. „Die Gewölbe sind solide gebaut, sie können noch viele Jahrzehnte überstehen. Einen Privatinvestor mit einer kommerziellen Nutzung dafür zu finden ist sehr unwahrscheinlich.” „Eine gastronomische Nutzung ist unter den gegenwärtigen Bedingungen wohl ausgeschlossen”, ergänzt Harald Ide vom Kulturverein. „Aber den Keller über Besichtigungen hinaus für kulturelle Veranstaltungen zu nutzen, das können wir uns gut vorstellen.” Dafür braucht der Verein Kultur und Geschichte vom Berge die Mitarbeit vieler Menschen – ihre Erinnerungen an die Vergangenheit des Kellers, ihre Ideen für die Zukunft, tatkräftige wie auch finanzielle Unterstützung.

„Trommeln Sie ruhig ein bisschen”, ermuntert Stefan Beate. „Der Felsenkeller ist es wert. So etwas gibt es im Norden nicht noch einmal.

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