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Neues Bodengutachten hat Folgen
Sportplätze Pappelallee geschlossen
(sbr) Stadtbaurat Dr. Kay Brummer formuliert ohne Umschweife: „Ich möchte den Sportplatz an der Pappelallee endlich bebauen. Dafür hat die Stadt ein Bodengutachten in Auftrag gegeben. Aufgrund der Ergebnisse des Gutachtens ist der Sportplatz geschlossen. Der Vertrag mit Blau-Weiß ist zum 31. Dezember 2008 ausgelaufen. Er wird nicht verlängert.“
Diese Nachricht wurde erstmals im Gespräch mit „Moritz vom Berge“ Ende März 2009 öffentlich gemacht. Gerüchte über das Gutachten waren seit Wochen im Umlauf. Es war kurz vor Weihnachten bei der Stadtverwaltung eingetroffen.
Hintergrund des Gutachtens ist die bekannte Belastung der Sportplätze nicht nur durch Schwermetalle aus den Innerstehochwassern, sondern auch durch Dioxin. Im Frühjahr 1991 war bekannt geworden, dass der Belag der Aschenbahn und des Hartplatzes auf dem Blau-Weiß-Gelände, die Kupferschlacke „Kieselrot“ der Firma Balsam, hochgradig Dioxin verseucht ist. Der Sportplatz wurde damals für ein Dreivierteljahr gesperrt. Dann durfte Blau-Weiß ihn „auf eigene Gefahr“ wieder nutzen – für den Schulsport blieb er bis Ende der neunziger Jahre gesperrt.
Bundesweit waren damals viele Gemeinden von diesem Problem betroffen. Über 300 Sport- und Spielplätze wurden geschlossen. In Hildesheim sind die Sportplätze an der Pappelallee die einzigen, die mit „Kieselrot“ belastet wurden. Die hier gemessenen Dioxinwerte gehörten zu den höchsten in Niedersachsen. Der Belag „Kieselrot“ ist ein Abfallprodukt der Kupfergewinnung im zweiten Weltkrieg. Der westfälische Sportbodenhersteller Balsam AG ging Mitte 1994 in Konkurs und machte noch einige Jahre lang Schlagzeilen – in der so genannten „Balsam-Affäre“ wegen Bilanzverschleierung und Betrug in Milliardenhöhe. bild
Generell ließ die Vorsicht im Umgang mit Dioxin-Belastungen Ende der neunziger Jahre nach – ein Abstumpfungsprozess offensichtlich, denn Dioxin kommt vielerorts durch Baustoffe aus Rückständen der industriellen Produktion und der Müllverbrennung vor. Die Gefährlichkeit des Seveso-Giftes bei Aufnahme winzigster Mengen, vor allem durch Boden-Mund-Kontakt, ist aber unumstritten.
An der Pappelallee wurde der Hartplatz im nördlichen Teil des Blau-Weiß-Geländes 1997 mit einer acht bis zehn Zentimeter hohen Schutzschicht abgedeckt. 50.000 DM der Kosten trug die Stadt Hildesheim, weitere 85.000 DM zahlte die Interessengemeinschaft der Hildesheimer Sportvereine. Die Aschenbahn blieb, wie sie war. Zeitweise war die Auskofferung des belasteten Bodens und Zwischenlagerung auf dem Gelände erwogen worden; eine komplette Entsorgung wollte aber niemand finanzieren.
Das Bodengutachten 2008 hat offensichtlich hohe Belastungswerte für die „Kieselrot“-Flächen an der Pappelallee bestätigt. Auch die Oberfläche des Hartplatzes, die aufgetragene „Schutzschicht“, ist wieder belastet. Das spricht für eine Durchmischung der Bodenschichten. Genaue Zahlen wollte Dr. Brummer noch nicht nennen. Die festgestellte zusätzliche Belastung des Bodens durch Blei und Cadmium aus den Innersteüberschwemmungen entspricht den Erwartungen der Unteren Bodenschutzbehörde, das heißt auch sie ist hoch.
Auch der Spielplatz an der Pappelallee wurde untersucht. Dort wurden nach Angaben der Unteren Bodenschutzbehörde keine erhöhten Dioxinwerte festgestellt. Der Boden ist öfters ausgetauscht worden und war nicht mit „Kieselrot“ belegt.
„Die Ergebnisse sind nicht so, dass wir die Sportplätze sofort hätten sperren müssen“, beruhigt der Stadtbaurat. „Das Dioxin ist im Prinzip stark gebunden. Gefahr im Verzuge besteht nicht. Es ist absolut unbedenklich, über den Sportplatz zu gehen. Eine Studie aus Bochum hat aber auch Dioxinablagerungen im Blut von Sportlern festgestellt, die auf solchen Flächen trainieren. Deshalb bleibt der Sportplatz geschlossen.“
Brummer ist entschlossen, den vergifteten Boden endgültig loszuwerden: „Wir wollen bauen, deshalb muss der Boden ausgetauscht und entsorgt werden. Dafür haben wir Mittel aus dem Konjunkturpaket II beantragt. Zur Zeit prüft das Gewerbeaufsichtsamt die Anträge. Etwa einen Monat nach Ablauf der Antragsfrist, Mitte Mai also, werden wir wissen, ob wir die beantragten Gelder bekommen – zusätzlich muss die Stadt einen Eigenanteil zahlen.
Ja, wir wollen bauen – nicht um Geld herauszuschlagen, sondern weil wir die Schulden der Stadt verringern müssen.“
Berichtigung