Fruchtlose Frühlingsträume
von Bärbel Rehberg
An einem schönen Frühlings-Sonntagmorgen im Jahr 1949 zog es Ruthchen und Bärbel mit Macht von der Alfelder Straße zu ihren Gärten an der Königsstraße - Ecke Mittelallee. Die Gärten lagen sich gegenüber, und zwar der Brunssche Mittelallee 35 und der von Ruthchens Mutter links vom „Goethe-Haus“, Königstraße Nr. 31.
In der Schule lernten wir gerade das Lied „Nun will der Lenz uns grüßen“. So wollten auch wir ihn bei dem herrlichen Sonnenschein draußen gebührend empfangen!
In „Bärbels“ Garten hatte ein Pfirsichbaum seine vielen Startschwierigkeiten überwunden und stand nun in seiner vollen Frühlingspracht. Die zarten rosaroten Blüten vorm azurblauen Himmelsgrund - die Bergholzwiesen, noch taubenetzt, im ersten frischen Grün - ringsum feierliche Stille. Dieses erhabene Gefühl ist mir bis heute tief im Gedächtnis geblieben.
Dann klangen von St. Mauritius die Glocken herüber und riefen zur Andacht.
Da kam uns die glorreiche Idee, auch unsere daheim kochenden Mütter an unserem Frühlingsglück etwas teilhaben zu lassen. Nach einigem Suchen fanden wir einen zum Schneiden der kräftigen Zweige halbwegs geeigneten Gegenstand und bald hatten wir jede einen ansehnlichen Strauß der schönsten Pfirsichblüten geschnitten. Glücklich und stolz - voller Vorfreude - machten wir uns singenderweise auf den Heimweg. Ach, was würden unsere Mütter für Augen machen.
Das taten sie dann auch, aber auf gänzlich andere Art, als wir es erwartet hatten. Ihnen fiel vor Schreck bald der Kochlöffel aus der Hand. Was hatten die Kinder da nur angerichtet! Die Obsternte war vernichtet. Dass fast jede Blüte auch eine Frucht hervorbringt, hatten wir in dem Moment der Begeisterung gar nicht bedacht und sogar die Bienen gingen leer aus.
Wir brauchten keine Strafe mehr. Die Sonntagspredigt und - schlimmer noch - die Enttäuschung: Auch das hat sich tief eingeprägt.
So war es damals eben: Bauch kam vor Gemüt!
Roter Mohn
Zur Erinnerung an Bärbel Rehberg