Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 206 · Juni/Juli 2010
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Moritzberg Verlag
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Geschichten vom Berge

Des einen Leid, des anderen Freud

von Carl Behrens

Eines Tages hatte ich mir den Spitznamen „Calle vom Moritzberg“ eingehandelt. Das geschah auf dem Hildesheimer Gymnasium. Zuvor war ich im Jahr 1929 noch Schüler einer zweiklassigen Dorfschule.

Nach dem frühen Tode meines Großvaters betrieb meine Großmutter in Söhlde auf einem Teil des ihr überlassenen Gemüsegartens nach wie vor den Gemüseanbau. Nicht für sich! Vielmehr für ihre älteste Tochter, die mit dem Musiklehrer Wilhelm Gerlach der Volksschule in der Brauhausstraße auf dem Moritzberg verheiratet war.

Zwar waren die Hungerjahre der Kriegs- und Inflationszeit längst überwunden. Aber aus alter Gewohnheit schickte meine Großmutter das von ihr geerntete Gemüse noch immer in die Zierenbergstraße 25. Im Herbst des Jahres 1929 brachten mein Freund Robert und ich für eine Belohnung von zwei Groschen in meinem Bollerwagen wieder eine Sendung Gemüse zu dem Botenfuhrmann Karl Dröger.

„Wie immer, Zierenbergstraße 25“, stellte er fest. Zum ersten Mal nahm ich Straße und Hausnummer bewusst wahr! Später haben sie mir noch viel bedeutet.

Das sollte die letzte Fahrt über 20 Kilometer mit seiner schon ins Alter geratenen Stute Liese werden. Der Botenfuhrmann führte seinen Auftrag wie immer gewissenhaft aus. Nur bald danach lag seine Liese eines Morgens verendet im Stall. Meine Großmutter versuchte, den vom Verlust betroffenen Karl Dröger zu trösten. Doch er war ganz gelassen, ja fast heiter, als er erklärte: „Dat motten verdragen künnen“ (Einen Rückschlag muss man verkraften können).

Aus Altersgründen kam meiner Großmutter das Ende der Gemüselieferungen durchaus gelegen. Sie beschäftigte sich fortan nur noch mit ihren Blumenbeeten.

Das „Leid“ des Botenfuhrmanns Karl Dröger verhalf dem Obst- und Gemüsehändler Haak am Fuß der Krehlastraße zum vermehrten Gemüseeinkauf durch den Lehrer Gerlach.

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