Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 209 · Oktober 2010
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Neue Radwegstrecke besteht Probe

(sbr) Vor zwei Jahren, im Herbst 2008, kam das Stadtumbau-Projekt am Moritzberg in Gang: Bürgerbeteiligung war eine Voraussetzung für die Bewilligung der Gelder von Land und Bund. Es ging um Ideen zur Verbesserung des Wohnens unten am Moritzberg, in der Nachbarschaft des Phoenixgeländes. Die Planer vom Büro ANP in Kassel besuchten Moritzberger „Schlüsselpersonen“, um deren Vorschläge zu erfahren. Später konnte in den Stadtumbau-Arbeitsgruppen jeder, der Interesse hatte, seine Zukunftsvorstellungen einbringen.

Fünf-Bogen-Brücke und Innersteaue – das Tor nach draußen auf’s Land. Durch eine neue Wegeverbindung wird es ohne Umwege erreichbar.

Einer der ersten Wünsche war ein Durchbruch durch die B 1-Barriere, durch das Bauwerk der siebziger Jahre, das Moritzberg im Norden abriegelt. Es kann nicht beliebig überquert werden wie andere Straßen. Man muss es umgehen und weite Umwege in Kauf nehmen, um an bestimmten Verkehrsknotenpunkten auf die andere Seite zu kommen – an der Schützenwiese, bei der Pippelsburg oder über die Himmelsthürer Straße. Diese Knotenpunkte sind laut und gefährlich – zum Vorteil des Autoverkehrs eingerichtet: Jeder Fußgänger ist dort genervt, überfordert und fehl am Platze, jeder Radfahrer beeilt sich, möglichst schnell an angenehmere Orte zu kommen.

Hinter der B 1-Barriere ist nicht mehr „Stadt“ – dort ist das „Land“ mit Himmelsthür, Giesen, Steuerwald und Hasede. Dort fließt die Innerste in unbebauter Aue, nebenan der Kupferstrang, dazwischen ein Damm mit Wander- und Radweg. Die Flusslandschaft ist beliebt als Verkehrsweg fürs Fahrrad und als Ort zur Naherholung, für Spaziergänger und Jogger. Natur und Weite – früher leicht erreichbar, heute eine dauernde kleine Sehnsucht der Städter. In der Ferne gibt es Ziele wie den Erlenbruch bei Himmelsthür, den Osterberg, die Giesener Teiche und den Haseder Busch.

Vor einem Jahr, im September 2009, stellte Jens Gehring, Holzbauingenieur und Moritzberger Anwohner, eine Lösung für das Problem der schlechten Anbindung Moritzbergs an die Innersteaue im Norden vor. Auf einer Bürgerversammlung im Phoenix-Verwaltungsbau zeigte er sein Modell für einen Fuß- und Radweg dorthin. Der Weg nutzt den Durchlass in der B1-Brücke, die den Kupferstrang überquert. Er zweigt ab von dem neuen Radweg, den die Hanseatic-Gruppe entlang dem Kupferstrang über das Phoenixgelände baut. Von dort muss er über eine Rampe zum Bach hinunter und auf die andere Seite geführt werden. Nach der Unterquerung der B 1 steigt der neue Weg auf dem Damm vor der Fünf-Bogen-Brücke an und mündet in den Fuß- und Radweg nach Steuerwald.

Erdarbeiten auf der Westseite des Kupferstrangs: Hier baut Hanseatic einen Fahrradweg über das Phoenixgelände. Von diesem Weg aus soll eine Rampe über den Kupferstrang und unter der B 1 hindurch führen.

Diese Strecke ist nur in ihrem Teilstück von der linken auf die rechte Seite des Kupferstrangs neu. Der Durchlass unter der B 1 wird immer schon gern von Fußgängern zwischen Himmelsthür und Moritzberg passiert. Sie starten auf dem Weg vom Spielplatz Pappelallee Richtung Norden, wandern auf der Ostseite des Kupferstrangs auf schmalem Pfad bis zur Tankstelle an der B 1, klettern dort die Böschung hinunter und folgen dem Kupferstrang durch den Durchlass – solange er nicht überschwemmt ist. Auf der andern Seite geht es die Böschung wieder hoch; wegen der Kletterei ist ein Fahrrad auf dieser Tour störend.

Im letzten Herbst wurde dieser alte Fußweg bei dem Fest „Moritzberg meets Himmelsthür“ neu belebt. Um die Streckenführung anschaulich zu machen, wurde der Teil, der sich mit Gehrings neuer Route deckt, ein bisschen ausstaffiert: mit Sandsäcken auf dem Weg die Böschung hinauf und mit einer provisorischen Brücke an der Stelle, wo jetzt der neue Bau über den Kupferstrang entstehen soll.

Jens Gehrings neue Streckenführung wird möglich durch die Öffnung des Phoenixgeländes. Sie ist für den Radfahrer wie den Spaziergänger eine große Erleichterung für den Weg aufs Land, in die Innersteaue. Sie ist kurz, geradlinig und unterwandert die gefährlichen Knotenpunkte – sie folgt dem einfachsten Weg, dem Weg des Wassers. Die Route gibt Einblick in kaum bekannte Nischen und Plätze, wo die Natur sich wieder ausbreitet, wo kleine Paradiese von selbst neu erstehen, ohne Zutun des Menschen – wenn man sie lässt.

Gehrings Entwurf wurde im Sommer 2010 geprüft. Nach einer Ausschreibung durch die Stadt Hildesheim erhielt das Büro Pabsch & Partner den Auftrag, die Planungen auf ihre Machbarkeit zu untersuchen. Das Ergebnis der Machbarkeitsstudie liegt nun vor: Gehrings Modell ist umsetzbar. Pabsch & Partner stellen drei verschiedene Varianten davon vor. Der politische Arbeitskreis mit den Moritzberger Politikern Corinna Finke und Michael Kriegel hat sich für Variante zwei entschieden, für eine zehn Meter lange hochwassersichere Rampe auf Ständern, die hinunter zum Kupferstrang und hinüber führt. Bei Hochwasser kann der Tunnel unter der B 1 nicht durchquert werden. Dann tritt dieselbe Regelung ein wie auf dem Radweg an der Innerste unterhalb der Schützenwiese: Bei Hochwasser Zutritt verboten.

Fotos (3): Sabine Brand
Vom Durchlass unter der B 1 führt der Weg hoch auf den Deich links im Bild
Fotos (3): Sabine Brand

Die von Gehring vorgeschlagene Fuß- und Radwegstrecke ist um 145 Meter kürzer als die bislang mögliche – und sie ist viel verkehrssicherer: Der alte Weg führt vom Nordzipfel des Phoenixgeländes am Ende der Maschstraße entlang der Straße „Am Kupferstrange“, unter der B 1 hindurch, überquert dann die B 1-Auffahrt stadtauswärts – eine recht gefährliche Stelle – und führt weiter unter der Bahnbrücke hindurch bis in die Sackgasse Am Kupferstrange und dort über die Kupferstrang-Brücke auf den Damm in der Innersteaue. Die neue Streckenführung trifft ein ganzes Stück früher bei der mächtigen alten Weide vor der Fünf-Bogen-Brücke auf den Damm.

Papsch & Partner schlagen zwei Meter Breite vor für den Radweg nach Gehrings Konzept, dazu eine wassergebundene Decke außerhalb der Dammeinschnitte und Pflaster in Beton sowie Winkelstützen für die Dammüberquerung. Veranschlagte Kosten: 160.000 Euro. Hinzu kommen relativ geringe jährliche Unterhaltungskosten zuzüglich etwa 600 Euro Kosten nach jedem Hochwasser, auch eine Ablösesumme und eventuell Gelder für die Beleuchtung im Tunnel. Mancher Posten erscheint nicht notwendig oder könnte mit etwas Engagement der Bürger ehrenamtlich erledigt werden.

Bürgerbeteiligung hatten sich die Planer des Stadtumbaus gewünscht – und mit Gehrings Entwurf wird ein Glanzstück sachkundiger Bürgerbeteiligung geliefert. Gehrings Plan ist umsetzbar, Pabsch & Partner sprechen ihre Empfehlung aus und der politische Arbeitskreis steht dahinter. Trotzdem muss der Entwurf der neuen Rad- und Fußwegroute vom Moritzberg in die Innersteaue noch einmal zur Beratung an die Fraktionen: Die Finanzierung aus Stadtumbaumitteln ist noch nicht zuverlässig gesichert.

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