Moritz vom Berge
Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 184 · Mai 2008
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Flächennutzungsplan 2020

Kleingärten sollen bebaut werden

(sbr) Die Moritzberger Kleingärtner sind in Bewegung. Heftig diskutiert werden Pläne der Hildesheimer Stadtverwaltung, einen Teil des Gartenlandes der Kleingartenvereine in Bauland umzuwandeln. Das betrifft die „Goldene Perle“ hinter der Waldquelle und den „Berggarten“ im Bockfeld.

Dem Kleingartenverein Goldene Perle erscheinen die Pläne akzeptabel – die Zahl der leerstehenden Parzellen (51) liegt nur geringfügig unter der Zahl der Gärten, die laut Planung „umgenutzt“ werden sollen (68). Die Gesamtanlage bleibt am alten Standort erhalten, den auszugswilligen Gartenfreunden werden Entschädigungen zwischen 1.500 und 5.000 Euro angeboten. Im Kleingartenverein Berggarten schlagen die Wogen der Empörung hingegen hoch auf.

Die Anlage Berggarten ist als Ganzes in Frage gestellt. Die Stadt bietet an, bei Einwilligung der Kleingärtner den Verein auf den Rottsberghang oberhalb des Kleingartenvereins Bockfeld e.V., westlich des Schulze-Büttger-Weges, umzusiedeln. Das bisherige Gartenland des Berggarten e.V. zwischen Losiusweg, Seebothstraße und den Moritzberger Friedhöfen soll komplett bebaut werden. Offizielle Begründung: Die Strukturen der Anlage seinen „veraltet“ – was sich darauf bezieht, dass die Parzellen zum Teil einen ungewöhnlichen Zuschnitt haben und nicht genormt sind.

Bauland statt Obst- und Gemüseanbau – die Stadt Hildesheim möchte die gesamte Kleingartenanlage Berggarten e.V. zum Wohngebiet erklären

Der ausschlaggebende Grund dahinter: Die Stadt braucht laut Flächennutzungsplan 2020 neues Bauland – und die Gärten des Berggarten e.V. sind „Filetstücke“, „erste Sahne“ für die Planer: innenstadt- und naturnah, leicht zu erschließen und an bereits vorhandene Wohnbebauung angrenzend.

Durch genau diese Lage ist das Berggartengelände aber auch bei den Gartenfreunden sehr beliebt. Erstaunlich wenige von den Parzellen stehen leer – vier bis fünf von 141. Die meisten der Gartenpächter sind Moritzberger aus den angrenzenden Wohngebieten, darunter viele junge Familien mit kleinen Kindern. „Unsere Gärten sind eigentlich keine klassischen Kleingärten, sondern ausgelagerte Hausgärten“, erklärt Sabine Sackmann. „Für uns geht es weniger um das Vereinsleben, dafür um so mehr um gelebte Nachbarschaft.“ Die Anlage Berggarten e.V. ist traditionelles Moritzberger Gartenland. Schon lange vor der Gründung des Vereins im Jahr 1934 wurden diese Gärten für den Obst- und Gemüseanbau von der Nachbarschaft des Krehlaberges und des Moritzberges genutzt. Daher auch der untypische Zuschnitt der Gartengrundstücke, von der Stadtverwaltung als veraltet bezeichnet. – Der gesamte alte Moritzberg dürfte unter diesem Blickwinkel der Planer als veraltet gelten, da der Grundstückszuschnitt nicht am Reißbrett entstanden ist, sondern sich über lange Zeit im Zusammenhang mit der Ortsgeschichte entwickelt hat. „Stadtteil mit Hang zu Romantik und Natur“ – so lautet die Kehrseite dieser ortstypischen Verhältnisse. Sie wird von den Planern durchaus geschätzt – wenn es nicht gerade um potentielles Bauland, um lukrative Geschäfte geht.

„Unsere Kinder treffen sich auch bei Regenwetter im Garten“, illustriert Verena Preiß die spezielle familiäre Bedeutung vieler Gärten beim Berggarten e.V. „Und wenn sie nach ‚Pommes’ rufen, frage ich sie, ob sie denn bereit sind, zum Kartoffelroden in den Garten zu gehen. Dann gibt es Pommes frites nicht aus dem Supermarkt, sondern von eigenen Kartoffeln. Wenn wir oben auf den Rottsberghang umziehen müssen, ist dieser enge Zusammenhang nicht mehr da. Dann fällt ein Teil des gesundheitlichen und des präventiven Nutzens der Gärten weg.“

Die jungen Mütter und Väter, aber auch viele langjährige ältere Gartenpächter, sind entschlossen, ihre Kleingartenanlage zu erhalten. Auch in den benachbarten Wohngebieten regen sich Bedenken gegen die Bebauung der Gärten. Als erste Maßnahme wurden Plakate an die Gartenbesitzer verteilt, auf denen sie ihre Absicht öffentlich kundtun können: „Wir wollen bleiben“ steht darauf zu lesen. Weiter ist eine Unterschriftensammlung für den Erhalt der Gartenanlage am jetzigen Standort in Gang gekommen. Für die vom Vereinsvorstand initiierte Befragung der Vereinsmitglieder durch Fragebogen ist das Votum für viele Pächter klar: Einer Verlegung werden sie nicht zustimmen, auch wenn angeboten wird, neue Gartenlauben aus Holz oder Stein, Strom- und Wasseranschlüsse und gar ein neues Vereinsheim mit Bewirtung oben am Rottsberghang einzurichten. „Manche ältere Leute sind schon verunsichert“, meint Verena Preiß. „Sie möchten bleiben, haben aber Angst, dass sie den Anspruch auf Entschädigung verlieren, wenn sie nicht sofort dem Umzug zustimmen – und dass sie dann am Schluss vor einer Zwangsräumung stehen. Andere sagen schon jetzt klipp und klar: ,Wir bleiben, bis der Bagger kommt‘.“

Die Umsiedlung an den Rottsberghang kommt für die Pächter aus nächster Nachbarschaft nicht in Frage. Ihre Kleingärten sind wie Hausgärten in den Tagesablauf der Familie einbezogen
Fotos (2): Sabine Brand

Fragwürdig ist nicht nur der Umzug selbst, sondern auch der angebotene neue Standort: Das Gelände oberhalb des Schulze-Büttger-Weges gehört zum Landschaftsschutzgebiet Rottsberghang. Es wurde 1964 per Verordnung eingerichtet, um den Hang vor Bebauung zu schützen und das Landschaftsbild zu erhalten. 1992 wurde die Verordnung erneuert. Kleingärten sind im Landschaftsschutzgebiet zulässig, nicht aber die Neuerrichtung von Gebäuden mit mehr als 16 Quadratmetern überbauter Fläche.

Inwieweit können die Bauarbeiten für die Erschließung einer neuen Kleingartenanlage den Naturhaushalt im Landschaftsschutzgebiet schädigen? Wohin mit einem neuen Vereinsheim? Oder sollte die Stadt Hildesheim bereits die schrittweise Auflösung des Landschaftsschutzgebietes planen? Die Möglichkeit dazu hätte sie, da die Untere Naturschutzbehörde Ausnahmen von der Verordnung genehmigen kann – und sie ist seit einigen Jahren nicht mehr beim Landkreis, sondern bei der Stadt Hildesheim angesiedelt. Die Kleingärtner als Wegbereiter einer zukünftigen Bebauung? Diese politische Dimension der Umsiedlung kümmert die Gartenfreunde des Berggarten bislang kaum. Für sie ist Naheliegenderes ausschlaggebend, das aber mehr Weitblick beweist als die Perspektive der Stadtplaner: Einen alten Baum – noch dazu eine seltene alte Apfelbaumsorte – verpflanzt man nicht. Neu pflanzen ist kein Ersatz für gefällte Bäume. Bäume und Sträucher sind nicht austauschbare Waren aus dem Baumarkt, sondern individuelle Lebewesen. Der Umzug eines Gartens zerstört Lebensräume, deren Entwicklung Jahrzehnte braucht.

Wer dazu beitragen möchte, dass die Berggarten-Anlage erhalten bleibt, wird gebeten, sich unter Tel. 30 36 23 (Verena und Ronald Preiß), Tel. 27 09 12 (Meike Machens), Tel. 6 44 36 (Gertrude und H.-J. Bochert) oder per E-Mail unter buergerinitiative-berggarten@web.de zu melden.

Unterschriftenlisten gegen die Umsiedlung des Berggarten e.V. liegen in verschiedenen Moritzberger Geschäften aus.

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