Der Verlag:
Unser Tipp:
Unterstützer für die Webversion:
Anzeigenpreise für die Druckversion:
Anzeigenpreise
Phoenix in der Asche
Ein Abgesang
(sbr) Ein merkwürdiges Buch: schwarzweiß im handlichen Jackentaschenformat, wenige oft düstere fotografische Abbildungen und ein endloses Band von aneinander gereihten Erinnerungsbruchstücken, Kommentaren, Zeitungszitaten und Werbetextfetzen zu Wetzell/Phoenix, der 130 Jahre währenden Gummifabrik am Moritzberg. Gar nicht nostalgisch, ganz ohne Farbe, leblos, fast trist gibt sich das im Juni erschienene Buch des Projekts „Phoenix in der Asche“, von Studierenden des Studiengangs kreatives Schreiben und Kulturjournalismus der Universität Hildesheim 2006 erarbeitet.
Es erzählt die Geschichte von Auflösung und Zerfall, vom Ende der Industriekultur am Moritzberg und anderswo – ein Totenbuch, bewusst so gestaltet, ein Abgesang. „Phoenix ist Asche“ und: „Es könnte sein, dass der Vogel Phoenix diesmal nicht noch einmal aufersteht“.
Ein besonderes stilistisches Element verstärkt den Eindruck des kollektiven Abgesangs mit Hunderten von Stimmen. Ein „Chor“ fügt die Tausende von Erinnerungssplittern zusammen, strukturiert und gewichtet sie, zum Beispiel:
„Chor: Aber der Kopf kann ganz schön dröhnen.“
„Chor: Ritzeratze, auf der Wetzell-Luftmatratze.“
„Chor: Phoenix-Krankheiten? Gibt es nicht.“
„Chor: Das dampfte und zischte und roch.“
„Chor: Präzision wird hier groß geschrieben.“
„Chor: Jawohl, Herr Henking!“
„Chor: Unser schönes Tafelsilber!“
„Chor: Der letzte macht das Licht aus.“
Nach dem ersten Durchblättern zieht das Buch in den Bann. Einzelne Splitter ziehen in die Tiefe, erschließen neue Perspektiven. Neu zusammengesetzt gewinnen sie Bedeutungen, die erschrecken und amüsieren – je nachdem.
„Ehrlich gesagt, wo jahrzehntelang eine Gummifabrik war, sind auch Dinge im Boden. // Seit einigen Jahren machen wir Wiederverwertung. Das ist schon alles sehr umweltbewusst, schon zu Zeiten, wo das noch gar nicht modern war, war das so. // Seit wir hier tätig sind, ist nichts verbuddelt worden, zumindest nichts von unseren teuren Werkstoffen, weil wir die recyclen. // Hier oben ist ein Schießstand, früher war das mal eine Müllkippe. Das müsste federn da oben, so viel Gummi liegt da drin.“
Und dann: „Ideenreich in Kautschuk und Kunststoff ... Wirtschaftlich fördern, federnd lagern, biegsam verbinden, wasserdicht abdecken ... Wenn das Ihre Probleme sind, Phoenix hat die Lösung!“
Als Abgesang aus Tausenden von Splittern, in Hunderten von Stimmen, bleibt „Phoenix in der Asche“ im Gedächtnis hängen, scheint in der Luft zu schweben und langsam zu verblassen. Als Dokumentation der Industriekultur am Moritzberg ist es sehr sorgfältig erarbeitet – eine Fundgrube die Chronik Bergmühle-Wetzell-Phoenix am Ende des Bandes!
„Phoenix in der Asche“, herausgegeben vom „Phoenixkollektiv“ unter Leitung von Annett Gröschner und Prof. Dr. Stephan Porombka, ist im Glück & Schiller Verlag Hildesheim 2008 erschienen, ISBN 3-938404-17-5, Preis 9,99 Euro. Es ist über den Buchhandel erhältlich oder direkt beim Verlag über die E-Mail-Adresse mail@glueck-und-schiller.de zu bestellen.
Einer bezahlt, zwei lernen