Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 206 · Juni/Juli 2010
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straßenbäume am Moritzberg

Langsame Ausdünnung

(sbr) Regelmäßig zu Pfingsten blüht an der Zierenbergstraße der Rotdorn - eine Pracht, die das Straßenbild verzaubert und festliche Stimmung schafft. In den letzten Jahren werden die zierlichen Bäumchen mit lockerer Krone immer weniger - zum Ärger von Anwohnern, die sich deshalb ans Gartenamt gewandt haben und nun eine Fotokartei über die Bäume in ihrer Straße führen.

Jahrzehntelang haben Rotdornbäume den besonderen Reiz der Zierenbergstraße ausgemacht
Foto: Jutta Finke

Ursprünglich scheint auf der Ostseite der Zierenbergstraße zwischen Berg- und Krehlastraße etwa alle acht Meter ein Rotdorn gestanden zu haben. Wenn ein Baum gefällt werden musste, wurde Ende der achtziger Jahre aus einer anderen Baumfamilie nachgepflanzt. Das brachte Protest von Anwohnern, die vor dem Haus keinen Baum mit mächtiger Krone und dichtem Blattwerk dulden wollten. Einige der Neuen wurden deshalb wieder abgeholzt, andere Bäume verschwanden, als Garagen oder neue Wohnhäuser gebaut wurden.

Im neuen Jahrtausend wurde Apfeldorn nachgepflanzt, doch die Gesamtzahl der Bäume nahm weiter ab. Auch in den beiden letzten Wintern musste gefällt werden, im April 2010 wurde nachgepflanzt - unter anderem Rotdorn. Aber: „Aus zwei wird eins“, meint einer der Nachbarn und zeigt einen ehemaligen Baumstandort, offensichtlich mit roten Klinkern frisch zugepflastert.

Foto: Sabine Brand
Die Abstände zwischen den Bäumchen werden größer, die Zahl der Autos nimmt zu - und der Etat des Gartenamtes schrumpft
Foto: Sabine Brand

„Eine Verschiebung war notwendig, um im Untergrund verlegten Leitungen auszuweichen“, erklärte das Gartenamt. Der Anwohner bleibt skeptisch: „Ein Baum fehlt. Was mich nervt, ist der schleichende Prozess: Hier wird ausgedünnt. Eine Wohnstraße ohne Bäume hat kein gutes Klima und keine Atmosphäre.“ Das Misstrauen scheint angebracht, da in Hildesheim bei Neugestaltungen im öffentlichen Raum in letzter Zeit immer öfter das Argument zu hören ist: Ein Straßenbaum bringt Pflegekosten mit sich, deshalb sollte keiner gepflanzt werden. Die Nachpflanzungen an der Zierenbergstraße mussten im Übrigen um ein halbes Jahr verschoben werden, weil dem Gartenamt im Herbst 2009 das Geld dafür fehlte.

Dass in der Zierenbergstraße in den letzten Jahrzehnten die Bäumchen so rasch wechselten und der Rotdorn immer seltener wird, hat nach Auskunft des Gartenamtes noch einen speziellen Grund: Die pflasterfreien Standorte der Straßenbäume sind dort relativ klein. Obwohl junge Bäumchen bis zu vier Jahren gewässert werden, überleben einige diese „Extremstandorte“ nicht lange. Straßenbäume „vergreisen“ aufgrund der Umweltbedingungen auch schneller als Bäume in Parks und im Wald. Und der Rotdorn gedeiht nicht gut, wenn man ihn auf einen Standort pflanzt, wo früher schon einer stand. Schädlinge und Pilze greifen um so schneller an, je häufiger dieselbe Art wieder in dasselbe Pflanzloch gesetzt wird. Das gilt auch für andere Pflanzen aus der Familie der Rosengewächse, zu der der Rotdorn gehört.

Einer der jungen Rotdorne an der Zierenbergstraße hat - wohl zur Unterstützung -Gesellschaft bekommen: Anwohner haben Beinwell an seinen Fuß gepflanzt. Acht Meter weiter sprießt der Beinwell zwischen Pflastersteinen - am Fuß eines Verkehrsschildes. Stand hier nicht auch ein Baum? Ein irritierter Anwohner hat dem Gartenamt einen soliden Vorschlag gemacht: „Sollte der besagte Baum nur aus Kostengründen nicht erneuert werden können, hätten wir sicherlich schnell das notwendige Geld durch Spenden zusammen.“

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