Froschkönigs Perspektiven
(sbr) Karsten Lill stellt zur Zeit fotografische Arbeiten im Ameos Klinikum, dem früheren Landeskrankenhaus aus. Manchen Lesern des „Moritz“ wird er als der Mann in Erinnerung sein, der in Moritzberger Kellern nach dem Bierschnegel, einer selten gewordenen Nacktschnecke, sucht. Noch ist Lill nicht fündig geworden – was die Schnecken anbetrifft. Anderen unglaublichen Erscheinungen in Stadt und Land konnte er hingegen ins Auge sehen und sie fotografisch bannen.
Lills Art, das Alltägliche anzuschauen und abzubilden, konzentriert sich auf das feine Detail, auf den verfremdenden Ausschnitt, auf die ungewohnte Perspektive. Seine Fotografien zeigen eine unbekannte Welt von großer Schönheit, von bedeutungshaltigen Strukturen, von schemenhaftem Leben in scheinbar toten Dingen. Diese fantastischen Einblicke in die Natur enträtselt Lill für den Betrachter in präzisen, detailreichen Bildlegenden: „Elefantengesichtiger alter Zaunpfahl, grün veralgt, in der Kuhmasch von Gronau/Leine“ zum Beispiel. Magie und Fabelwelt paaren sich mit Logik und naturwissenschaftlicher Beschreibung auf eine Weise, die wiederum verzaubert – durch das sprachlich geschaffene, geschliffene Bild.
Karsten Lills Ausstellung „Froschkönigs Perspektiven – Romantische Ansichten aus Wald und Flur I“ ist bis zum 30. September im Verwaltungsgebäude des Ameos Klinikums Hildesheim, Goslarsche Straße 60, zu sehen.
Froschkönigs Perspektiven
Von diesem schönen Laubfrosch, der mir an einem kühlen Apriltag auf einem noch nicht bestellten Kleingartenacker am nördlichen Ortsrand von Gronau/Leine vor die Linse hüpfte, gelangen zahlreiche Aufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven. Bei sehr geringem Abstand zwischen Tier und Fotoapparat (< 10 cm) zeigte sich der Froschkönig, bei offensichtlich entspannter Laune, nach und nach von allen Seiten – mal das linke Profil, mal das rechte, dann auch von vorne, sich dabei mit beiden saugnapfbewehrten „Armen“ auf einem Lehmklumpen abstützend, als wolle er den Wetterbericht vortragen.
Der unerschrockene Laubfrosch posierte geradezu vor der Kamera und dem gleich dahinter hockenden Fotografen, und gewährte dabei Blicke auf jede noch so kleine drüsige Warze auf seinem Bauch. Das ungewöhnliche „Frosch-Fotoshooting“ dauerte knapp 5 Minuten und ergab insgesamt 23 schöne Aufnahmen. Darauf verschwand das Model grußlos im grünen Gras-Gewimmel, gut getarnt, lautlos hüpfend.
Mir kamen diese aufregenden, hochkonzentrierten, wenigen Minuten wesentlich länger vor. Minutenlang auf dem Acker zu hocken und mich selbst sowie den Fotoapparat möglichst nicht, oder nur äußerst vorsichtig, langsam und für den Frosch möglichst kaum wahrnehmbar zu bewegen, das war unglaublich anstrengend.
In diesem Fall gab es übrigens noch eine bemerkenswerte Belohnung für die Mühen: Beim Betrachten der Fotos am Bildschirm stellte sich heraus, daß nicht nur ich den Frosch beobachtet, betrachtet und fotografiert hatte. Die Begegnung wurde auf beiden Seiten registriert: auch der Frosch nahm mich wahr, sah mich und die Kamera mit seinen großen Augen an! Die Fotos belegen das, denn bei ausreichend hoher Vergrößerung erkennt man in den dunklen, goldfarben eingebetteten Pupillen Kopf und Schultern des Fotografen – sogar die Tabakspfeife, die ich während der Aufnahmen rauchte, ist zu erkennen – und im Hintergrund den in der Nähe stehenden Apfelbaum! Während ich die Froschporträts machte, habe ich also gleichzeitig, ohne jede Absicht, sondern mit viel Glück, auch noch ein oder zwei Selbstporträts abgebildet.
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