Anton Gottsleben
Ein Feuergeist (Teil 2)
(sbr) Gerade noch rechtzeitig zog Moritz vom Berge in der Novemberausgabe die Aufmerksamkeit auf einen Gedenkstein an der Lucienvörder Allee. Am 1. November wurde der kleine Hain um Anton Gottslebens Denkmal auf dem Blau-Weiß-Sportplatz beseitigt – nur eine Eiche blieb stehen. Nach Abtransport der gefällten Bäume sollte der Gedenkstein beseitigt werden – für Blau-Weiß ist in diesem Teil des alten MTV-48er-Geländes ein zweiter Sportplatz geplant.
Durch den Artikel im „Moritz“ schaltete sich Maike Kozok vom städtischen Denkmalschutz ein: Der Auftrag an die zentralen städtischen Werkstätten zum Abriss wurde gestoppt, Anton Gottslebens Gedenkstein soll auf den Johannis- oder den Marienfriedhof umgesetzt werden. Auch die Restaurierung des Denkmals erscheint möglich.
Anton Gottsleben hat als Schüler des Josephinums mit seinem Freund Joseph Helms um 1828 das Turnen in Hildesheim begründet. Turnen war damals revolutionär. In Preußen war es verboten, im Königreich Hannover, zu dem Hildesheim gehörte, auch nicht gern gesehen und vom Leiter des Josephinums untersagt. Anton turnte deshalb mit seinen Freunden im Garten seiner Eltern am Moritzberg. Von 1933 bis 1935 turnten die Schüler dann in zwei Riegen im Garten des Forstmeisters Pelizaeus – auch am Moritzberg, dann zogen sie in den Pepperworth. Das Jahr 1833 gilt als das Gründungsjahr einer „Turngesellschaft“ der Josephiner, denn von diesem Jahr an lief das Turnen unter Anleitung eines älteren Schülers, Andreas Sommer aus Heiligenstadt, in geordneten Bahnen. Aus dieser ersten Hildesheimer Turngesellschaft wurde später der Schülerturnverein „Saxonia“.
Spannend ist eine Ansicht, eine Lithographie im Stadtarchiv, die junge Turner vor der Mauritiuskirche im Hintergrund zeigt – spannend, weil sie viele Details des offensichtlich begeisterten Turnens im Freien zeigt, spannend aber auch, weil der Ort dieser Turnübungen nicht genau bekannt ist. Otto Schulze gab 1936 an, dies sei der „erste Sommerturnplatz am Bergsteinweg“. Der Hannoveraner Turnlehrer Hufeland hatte von 1841 bis Anfang 1843 eine Turnanstalt in „Neuls Garten vor dem Dammtor“ in Betrieb. Der Blickwinkel auf die Kirche und die Dächer der alten Stiftshöfe davor passt aber nicht zu der Ortsangabe „Bergsteinweg“. Ebensowenig passt das ungeordnet fröhliche Toben der Jungen zu einer professionell geleiteten Anstalt, die mangels Finanzierbarkeit und mangels Beteiligung 1843 schon wieder aufgeben wurde.
Die Abbildung zeigt wohl eher die turnbegeisterten jungen Josephiner in ihrer Freizeit – im Garten des Pelizaeus 1833 bis 1835 oder im Garten von Gottslebens Eltern zwischen 1828 und 1832. Wo der Garten des Pelizaeus lag, ist der Redaktion bislang nicht bekannt. Wo aber das Grundstück von Gottslebens Vater lag, ist gewiss: Amtsvogt Friedrich Gottsleben wohnte mit seiner Familie im ehemaligen von Bührenschen Stiftshof, heute Bennostraße 5, neben dem Alten Brauhaus. Das Grundstück reichte damals den Hang hinunter bis in den Bereich der heutigen Königstraße – Königstraße und Königsteich gab es noch nicht. Der Urkataster von 1875 zeigt in dem Bereich diesseits der alten Ortsgrenze, wo bis zu seiner Verlegung Anfang der 1870er Jahre der Blänkebach floss, einen schmalen Streifen Land, über den man offensichtlich von der unteren Bergstraße (heute Dingworthstraße) aus die Gärten und Äcker am Hang erreichte: ein Feldweg als Vorläufer der Königstraße. Genau von hier unten entspricht der Blick auf die Mauritiuskirche und die alten Stiftshöfe der Ansicht auf der Lithographie. Mit dem Bild in der Hand konnte „Moritz“ die Perspektive aus dem Dachfenster von Dr. Markus Leinemann nachvollziehen.
Spannend also die Auflösung des Rätsels, das die Abbildung aufgibt: Hier dürfte es sich um den ersten privaten Turnplatz der Josephiner im Garten von Gottslebens Eltern handeln – vermutlich mit Eingang von einem Weg etwa im Verlauf der heutigen Königstraße, auf Höhe von Haus Nr. 6. Über weitere Forschungen dazu wird Moritz vom Berge berichten.
Quellen:
Otto Schulze: Die Entwicklung der Leibesübungen in Hildesheim, in: Alt-Hildesheim 1936
Stadtarchiv Hildesheim Best. 101-896 Nr. 1
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