Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 217 · Juli 2011
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Bauarbeiten am Krehla

Einzigartiges Fenster zur Erdgeschichte

In den vergangenen Wochen bot sich ein interessanter Blick in die Erdgeschichte des Moritzberges am Fuß des Krehlabergs. In der Straße „Im Bockfelde“ auf der Höhe des Friedhofes werden PKW-Einstellplätze gebaut. Hierfür musste die steile Böschung des Berghanges förmlich angekratzt werden, um sie anschließend durch Betonstützmauern zu sichern.

Dadurch wurde am Fuße der Grundstücke von Georg Hertle und Günther Renardy ein etwa 20 Meter breites und 5 Meter hohes Fenster zur Erdgeschichte freigelegt. Der Anblick der abwechselnd grau, lila oder gelblich gefärbten Gesteinsschichten sowie deren Beschaffenheit und Ausprägung ist auch ein Blick auf über 200 Millionen Jahre alte Gesteine, die uns normalerweise durch eine Bodenschicht verborgen sind.

An der Baustelle „Im Bockfelde“ ist ein relativ seltener Keuperaufschluss zu sehen

Es handelt sich um Sedimentgesteine aus dem Erdzeitalter des Keuper. Dieser stellt die oberste Einheit der sogenannten germanischen Trias dar, deren Ablagerungsgesteine der Einheiten Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper für den Bereich des Hildesheimer Waldes typisch sind und weite Teile des Leine-Innerste-Berglandes aufbauen.

Abgelagert wurden die sichtbaren Gesteinsschichten des mittleren Keupers im Zeitraum vor etwa 211 bis 214 Millionen Jahren. Zu dieser Zeit lebten in dieser Landschaft bereits erste Saurier, aber auch schon frühe Säugetiere und Reptilien. Während dieser Zeit war der hiesige Raum durch eine flache Beckenlandschaft ohne Meereszutritt gekennzeichnet. Durch klimatische Schwankungen wechselten sich Überschwemmungs- und Trockenphasen ab. Ursprünglich handelte es sich um mehr oder weniger kalkhaltige Ton-, Schluff- und Sandschichten, die vorwiegend aus dem heutigen skandinavischen Raum und anderen Festlandsbereichen eingetragen wurden. Aus diesen Sedimenten haben sich die nun sichtbaren buntgefärbten Schichtpakete aus Ton-, Mergel- oder Sandsteinen gebildet. Spannend sind so die innerhalb der violetten Gesteine sichtbaren kleinen vertikal verlaufenden bleistiftdicken Schichten, die wie Bergkristalle schimmern. Während der Trockenzeiten verdunsteten die Wässer der Fluß- und Seensysteme teilweise, wodurch es auch zu gipshaltigen Einschaltungen bei den Ablagerungen kam. Die aufgeschlossene – also infolge der Bauarbeiten sichtbare – Gesteinsabfolge ist in der Fachwelt unter dem Begriff „Steinmergelkeuper“ bekannt und wird auch als Arnstadt Formation bezeichnet.

Fotos (2): Wulf Grube
„Ein toller Aufschluss vom Rang eines Naturdenkmals“, sagen die Entdecker. Die „abtauchenden” Gesteinsschichten sind gut zu erkennen.

Bei näherem Hin-sehen kann man erkennen, dass die einzelnen Gesteinsschichten nicht waagerecht übereinander liegen, sondern scheinbar nach unten kippen, so dass der Eindruck entsteht, dass die Schichten in Richtung des Krehla und nach unten geneigt „abtauchen“. Aus geologischer Sicht fallen die Schichten in ostnordöstliche Richtung ein. Ausgelöst wurde die Neigung der Schichten durch den unterirdischen Aufstieg von Salzgestein im Bereich unterhalb des Hildesheimer Waldes und speziell des Höhenzuges Finkenberg und Lerchenberg.

Die steile Böschung zum Krehla stellt den Sockel einer Schichtrippe dar. Diese ist dadurch entstanden, das Gesteine unterschiedlichen Widerstandes gegenüber den Abtragungskräften unmittelbar aufeinanderfolgen. Relativ weiches Gestein des mittleren Keuper unterlagert den westlichen Bereich des Krehla, in welchem sich die Kleingärten sowie die Friedhofsanlagen befinden. Darüber wurde später ein relativ härteres Gestein (Steinmergelkeuper) abgelagert. Dieser und darüber abgelagerter Sandstein des oberen Keuper (Rhätsandstein), der in diesem Aufschluss jedoch nicht zu sehen ist, bauen letztlich den Krehlaberg auf. Diese Gesteinsfolge und die damit verbundene Form einer langgestreckten Schichtrippe lässt sich großräumig sowohl nach Norden mit dem Mastberg als auch nach Süden bzw. Südosten mit der Abfolge von Moritzberg, Steinberg, Mühlenberg bei Söhre und auch weiter entlang des Nordrandes des Hildesheimer Waldes bis Derneburg und darüber hinaus verfolgen.

An der Schichtgrenze zwischen relativ weichem und härterem Gesteinen befinden sich häufig Wasseraustritte, sogenannte Schicht- oder Überlaufquellen. Dieses haben wohl auch schon frühere Bewohner des Moritzberges beobachtet und diese Wässer bei der einstigen landwirtschaftlichen Nutzung zur Bewässerung gebraucht. Hiervon zeugen ein gemauerter Brunnenschacht und ein Eisenrohr, die bei den Baggerarbeiten vorübergehend freigelegt wurden.

Fotos (5): Wulf Grube
Wulf Grube und Thomas Löffler
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