Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 233 · Dezember 2012
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75 Jahre Am Katztore -
auch die Briten schätzten den Stil

(sbr) Im Sommer 2012 ist die Straße „Am Katztore“ 75 geworden. Am 7. Juli 1937 berichtete die Hildesheimer Allgemeine Zeitung von „fieberhafter Bautätigkeit“ in den Gärten zwischen Königstraße und Bennostraße und zeigte Fotos der Baustellen an der neu angelegten Straße. Sie wurde nach dem „Katztor“ benannt, dass bis 1832 weiter oben am Hang am Übergang der Bennostraße ins Berghölzchen stand. Das steinerne Tor hatte den südlichen Ausgang von Moritzberg in Richtung Trillke-Gut und Marienrode gesichert.
Die Straße Am Katztore entstand in den Gärten der einstigen Stiftsherrenhöfe („von Sachs“ und „von Bühren“) an der Bennostraße. Diese Grundstücke reichten ursprünglich bis über den Bereich der späteren Königstraße hinaus. Auch nachdem das Moritzstift (1812) aufgelöst war, wohnte hier eine feine Gesellschaft: zunächst die Drosten (vergleichbar den heutigen Landräten) von Katte und von Drechsel, später der „Rittergutsbesitzer“ Lassalle. Bennostraße 5 wurde als „Villa Flora“ zur beliebten Pension für Amerikaner auf Europareise.
Das erste Haus im Bereich der Straße Am Katztore entstand 1917. Auf einem großen Gartengrundstück mit Zugang von der Königstraße bauten die Architekten Simon und Kerner ein massives Gartenhaus für die Hildesheimer Familie Hansen. 1921 wurde es zum Wohnhaus ausgebaut, denn in Hildesheim herrschte Wohnungsnot. „Zu jener Zeit gab es noch eine Menge Kaninchen und Rebhühner im hohen Gras unter alten Obstbäumen“, erinnerte sich 70 Jahre später Lieselotte Siebrecht, geb. Hansen.
Das Haus der Familie Hansen hatte in den 1930er Jahren die Adresse Beroldingenstraße 19 – der Eingang musste nach hinten verlegt werden, weil hinter dem Haus eine Verbindungsstraße zur Zierenbergstraße geplant war. Das Straßenprojekt wurde aufgegeben, das Hansen/Siebrechtsche Haus an dem Fußweg mit Treppe zur Bennostraße erhielt die Anschrift Propsteiweg 3.
Statt einer Verbindungsstraße entstand ab 1936 die Sackgasse Am Katztor. Sie wurde zunächst auf der Westseite bebaut, Verleger Gerstenberg und der frühere Alfelder Bürgermeister Bosse zogen dort ein. „Die ersten Häuser im Katztore waren auf Holzpfähle gebaut, dort waren vorher Sümpfe“, erzählte 1997 Karen Sonnenberg. Gemeint waren die ersten Häuser von der König-straße an. Dort floss bis zur Verlegung im Jahr 1870 der Blänkebach. Ende der 1920er Jahre waren unter den hohen Linden in den Gärten noch Tümpel – Reste des ehemaligen Bachlaufs.
Als ruhige, stilvolle Wohngegend überstand das "Katztor" den zweiten Weltkrieg – das empfanden auch die Engländer 1945 nach ihrem Einzug in das zerstörte Hildesheim. Innerhalb von 24 Stunden mussten die Bewohner ihre Häuser räumen, erinnerte sich Karen Sonnenberg. „Wir sind mit dem Bollerwagen umgezogen, erst zu Beilickes, dann in die Villa Windthorst.“ „Sie saßen nachmittags beim Kartenspiel und erfuhren, dass sie um 10 Uhr morgens aus der Wohnung mussten“, wusste Bosses Schwiegertochter. Die Ausquartierten durften kaum etwas mitnehmen, die Häuser sollten bewohnbar bleiben.
Ins Katztor zogen englische Offiziere mit ihren Familien ein, sie blieben zehn Jahre lang, bis 1955. Vorn im ersten Haus rechts, von der Königstraße aus, richteten die Briten die Wache für ihre Wohnstraße ein. Noch weiter vorn waren ein Wachhäuschen und ein Schlagbaum. Der Parkplatz am Königsteich wurde für die englischen Militärfahrzeuge angelegt.
Als erste Familie bekamen Hansens am Propsteiweg ihr Haus schon kurz vor der Währungsreform wieder, ziemlich beschädigt – es war als Freizeitheim genutzt worden. Lieselotte Siebrecht erinnerte sich: „Unser Nachbar – ein englisches Ehepaar mit einem kleinen Mädchen, Spielgefährtin meines Sohnes – schoß sehr gern in unserem Garten Kaninchen. Für Engländer eine beliebte Mahlzeit – wir bekamen dafür Apfelsinen und Schokolade.“ Ab 1955 kamen auch die anderen Familien zurück.
Am 16. September 2012 haben die Bewohner von „Katztor“ und Propsteiweg ihr erstes Straßenfest gefeiert. Dabei ging es vor allem ums Kennenlernen: Auch die Rückkehrer nach der britischen Besatzungszeit leben nicht mehr dort – mittlerweile ist die dritte Generation eingezogen.

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