Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 235 · Februar 2013
Die Kunst, sich zu kümmern
(sbr) Reimund Steinwede und Helmut Beelte sind mit Trittleiter, Besen und Eimer unterwegs – das Ziel: ein kleines Fachwerkhaus am Blänkebach, dort wo er unter dem Bergsteinweg durchfließt. Nicht so viele Leute wissen, dass dies Häuschen 1930 als „Bedürfnisanstalt“ für die Straßenbahnschaffner gebaut wurde. Hier am Blänkebach war die Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 1, der Bach gehörte noch zur Stadt, auf seinem westlichen Ufer fing Moritzberg an.
"Die Küchenthaler" bei der Arbeit am historischen Klohäuschen im Bergsteinweg, links Reimund Steinwede, auf der Leiter Helmut Beelte.Steinwede und Beelte fegen das Dach des Häuschens ab und schaufeln eimerweise Morast aus der Dachrinne. Eigentlich hatten sie nur das Fallrohr reparieren wollen. Aus seinem abgebrochenen Ende läuft das Regenwasser bei jedem Guss auf die Wand des Häuschens und höhlt das Mauerwerk aus. Zwischen den dunklen Klinkern zeigen sich bereits gefährliche Risse. Steinwede hat einen Meter Zinkrohr besorgt. Ein kleines Stück davon verlötet er mit dem Fallrohrende, setzt ein Plastikstück drauf und dreht es in Richtung Bach. So läuft das Wasser die Böschung hinab und kann dem Mauerwerk nicht mehr schaden.
Der Eigentümer des merkwürdigen Häuschens wohnt im Eichsfeld und kann sich deshalb selten kümmern. 1998, als er noch Anwohner der Bergstraße war, kaufte er das stillgelegte Toilettenhäuschen, um es vor dem Abriss zu retten. Beelte entdeckte es, als er für das jüngste Buch über den Moritzberg, „Vom Bergdorf zum Stadtteil“, in der Geschichte des „Bergholzviertels“ forschte. Er entlockte dem Häuschen Bergsteinweg 35a sein Geheimnis – und fühlte sich fortan ein bisschen zuständig für den stummen Zeitzeugen. Wo ihn besonders die Graffiti-Malerei auf der weißen Wand ärgerte, fasste sein Hausnachbar Reimund Steinwede, von Beruf Prothesenbauer, sofort das tropfende Fallrohr ins Auge. Die beiden holten sich fachlichen Rat und verständigten den Eigentümer. Der wird die Materialkosten bezahlen – aber die Gedanken um das quadratische Bauwerk, die Mühe und die Arbeitsstunden tragen Beelte und Steinwede umsonst und freiwillig bei. Unerledigt blieb vorerst nur der Schaden am Mauerwerk. Dafür wird noch fachliche Hilfe gesucht – und schließlich kam der Frost dazwischen.
Steinwede und Beelte sind nicht zum ersten Mal mit Besen und Werkzeug im Bergholzviertel unterwegs. Im Spätsommer haben sie sich um die Reste des Entenbrunnens gekümmert. Die Bronzeenten waren im Frühjahr 2012 von Metalldieben gestohlen worden, das flache Brunnenbecken war verschlammt, der Wasserfluss versiegt. Tropfendes Wasser hatte über Jahre hinweg die Brunnenwand unterhalb des Wasserauslaufs ausgehöhlt. Steinwede gehörte 1996 zu jenem Moritzberger Stammtisch, der mit Maurermeister Dirk Kehe nach altem Vorbild ehrenamtlich den Entenbrunnen wieder aufbaute. Die Jahre über machte er sich immer wieder Gedanken um den Wasserauslauf aus dem Becken. Mal war das eingesetzte Metallröhrchen verstopft, dann ganz herausgebrochen. Als durch den Entenklau auch noch die Sandsteinabdeckung des Brunnenrands beschädigt wurde, nahm er Kontakt zu einem Steinmetz auf. Der Plan entstand, neue Enten und einen Wasserauslauf aus Stein herstellen zu lassen. Aber vorher, so Beelte und Steinwede, musste herausgefunden werden, warum kein Wasser mehr lief.
Vier oder fünf Versuche mit spitzen Stangen, Forke und Spaten waren nötig, um den Wassersammler zu finden, der 1997 in die Wiese versenkt worden war, um das Wasser einer alten Felddrainage aufzufangen. Ein Dritter, Franz-Joseph Wedekin, half bei der Suche – auch er war beim Brunnenbau dabeigewesen. Ein Vierter und ein Fünfter, Dr. Gehrkens und sein Gärtner, brachten Unterstützung in Form eines Gartenschlauchs. Das Sieb des Wassersammlers war völlig von Schlamm verkrustet, die Rohre dahinter verstopft. Mit dem Wasserdruck von Gehrkens Schlauch und mit Hilfe von Beeltes Toilettenspirale wurden alle Teile sauber und die ganze Anlage schließlich durchgespült. Dann den Deckel auf den Sammler – ein hübscher Abdeckstein mit dem trügerischen Namen „Bergholzquelle“ – und Grassoden darüber: Der Entenbrunnen hatte wieder Wasser.
Auf der Terrasse vor dem Entenbrunnen machten Steinwede und Wedekin sich ähnlich viel Mühe – wenn schon, denn schon. Ein völlig festgefahrener Gullideckel musste gehoben werden – kein Schmutzfangkorb darunter, dafür dicke Klumpen von Laub, Mergel und Schotter. Auch die Rohre, die das Wasser vom Gulli nach links und rechts zur Bewässerung der jungen Linden transportieren sollten, waren verstopft. „Mindestens zehn Jahre lang hat hier niemand sauber gemacht“, vermutet Steinwede. Zum Abschluss der Arbeiten in 2012 verfugte er mit Wedekin die Natursteine neu, aus denen der Entenbrunnen errichtet ist. In 2013 wollen die Nachbarn in Zusammenarbeit mit Steinmetz Platter neue Enten und einen soliden Wasserauslauf angehen.
„Unsere Rentneraktivisten“, sagt Lizzy Beelte scherzhaft, wenn ihr Mann mit Nachbar Steinwede sich eine neue Aktion ausdenkt. „Nein“, entgegnet Steinwede: „Wir sind die alten Küchenthaler. Ich bin hier aufgewachsen, ich habe als Kind in der Trillke und am Königsteich gespielt. Das ist schon immer meine Wohnumgebung gewesen, deshalb ist sie mir wichtig und deshalb tue ich etwas dafür.“ Steinwede ist 73 Jahre alt, Beelte und Wedekin sind um 65 – alle drei haben großen Spaß daran, ihren Sachverstand einzusetzen und sich um ihr Viertel zu kümmern.
Wenn jemand im Frühjahr oder Sommer „die Küchenthaler“ mit Harke und Schaufel oder mit Maurerkelle und Eimer sieht – vielleicht mag er sich anschließen, vielleicht auf andere Weise den mutigen Einsatz unterstützen.
"Die Küchenthaler" bei der Arbeit am historischen Klohäuschen im Bergsteinweg, links Reimund Steinwede, auf der Leiter Helmut Beelte.
Foto: sbr
Der Eigentümer des merkwürdigen Häuschens wohnt im Eichsfeld und kann sich deshalb selten kümmern. 1998, als er noch Anwohner der Bergstraße war, kaufte er das stillgelegte Toilettenhäuschen, um es vor dem Abriss zu retten. Beelte entdeckte es, als er für das jüngste Buch über den Moritzberg, „Vom Bergdorf zum Stadtteil“, in der Geschichte des „Bergholzviertels“ forschte. Er entlockte dem Häuschen Bergsteinweg 35a sein Geheimnis – und fühlte sich fortan ein bisschen zuständig für den stummen Zeitzeugen. Wo ihn besonders die Graffiti-Malerei auf der weißen Wand ärgerte, fasste sein Hausnachbar Reimund Steinwede, von Beruf Prothesenbauer, sofort das tropfende Fallrohr ins Auge. Die beiden holten sich fachlichen Rat und verständigten den Eigentümer. Der wird die Materialkosten bezahlen – aber die Gedanken um das quadratische Bauwerk, die Mühe und die Arbeitsstunden tragen Beelte und Steinwede umsonst und freiwillig bei. Unerledigt blieb vorerst nur der Schaden am Mauerwerk. Dafür wird noch fachliche Hilfe gesucht – und schließlich kam der Frost dazwischen.
Umsonst und freiwillig, umsichtig und verantwortlich - hier wird der Entenbrunnen und sein Wasserzulauf gesäubert.
Fotos (2): H. Beelte, R. Steinwede
Vier oder fünf Versuche mit spitzen Stangen, Forke und Spaten waren nötig, um den Wassersammler zu finden, der 1997 in die Wiese versenkt worden war, um das Wasser einer alten Felddrainage aufzufangen. Ein Dritter, Franz-Joseph Wedekin, half bei der Suche – auch er war beim Brunnenbau dabeigewesen. Ein Vierter und ein Fünfter, Dr. Gehrkens und sein Gärtner, brachten Unterstützung in Form eines Gartenschlauchs. Das Sieb des Wassersammlers war völlig von Schlamm verkrustet, die Rohre dahinter verstopft. Mit dem Wasserdruck von Gehrkens Schlauch und mit Hilfe von Beeltes Toilettenspirale wurden alle Teile sauber und die ganze Anlage schließlich durchgespült. Dann den Deckel auf den Sammler – ein hübscher Abdeckstein mit dem trügerischen Namen „Bergholzquelle“ – und Grassoden darüber: Der Entenbrunnen hatte wieder Wasser.
Auf der Terrasse vor dem Entenbrunnen machten Steinwede und Wedekin sich ähnlich viel Mühe – wenn schon, denn schon. Ein völlig festgefahrener Gullideckel musste gehoben werden – kein Schmutzfangkorb darunter, dafür dicke Klumpen von Laub, Mergel und Schotter. Auch die Rohre, die das Wasser vom Gulli nach links und rechts zur Bewässerung der jungen Linden transportieren sollten, waren verstopft. „Mindestens zehn Jahre lang hat hier niemand sauber gemacht“, vermutet Steinwede. Zum Abschluss der Arbeiten in 2012 verfugte er mit Wedekin die Natursteine neu, aus denen der Entenbrunnen errichtet ist. In 2013 wollen die Nachbarn in Zusammenarbeit mit Steinmetz Platter neue Enten und einen soliden Wasserauslauf angehen.
„Unsere Rentneraktivisten“, sagt Lizzy Beelte scherzhaft, wenn ihr Mann mit Nachbar Steinwede sich eine neue Aktion ausdenkt. „Nein“, entgegnet Steinwede: „Wir sind die alten Küchenthaler. Ich bin hier aufgewachsen, ich habe als Kind in der Trillke und am Königsteich gespielt. Das ist schon immer meine Wohnumgebung gewesen, deshalb ist sie mir wichtig und deshalb tue ich etwas dafür.“ Steinwede ist 73 Jahre alt, Beelte und Wedekin sind um 65 – alle drei haben großen Spaß daran, ihren Sachverstand einzusetzen und sich um ihr Viertel zu kümmern.
Wenn jemand im Frühjahr oder Sommer „die Küchenthaler“ mit Harke und Schaufel oder mit Maurerkelle und Eimer sieht – vielleicht mag er sich anschließen, vielleicht auf andere Weise den mutigen Einsatz unterstützen.