Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 241 · September 2013
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Raubbau oder nachhaltige Waldwirtschaft – was haben die Förster am Steinberg im Sinn?  Teil 2

von Dr. Fritz Griese, Forstamt Liebenburg

Leitlinien der ökologischen Waldentwicklung in den Landesforsten – gültig auch für den Hildesheimer Stadtwald
Die „waldbauliche Philosophie“ der Niedersächsischen Landesforsten (NLF) ist niedergelegt in dem weit über Niedersachsen hinaus anerkannten Programm zur Langfristigen Ökologischen WaldEntwicklung (kurz: „LÖWE-Programm“). Die hierin formulierten Grundsätze werden selbstverständlich ebenso in den von den NLF betreuten Waldflächen angewendet, soweit der jeweilige Eigentümer dies wünscht bzw. nicht ausdrücklich widerspricht.

Allem voran steht der Gleichklang von Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes. Die NLF verfolgen das Ziel, möglichst alle Waldfunktionen auf ganzer Fläche zur Geltung zu bringen und miteinander zu verbinden. Dies kann auf Dauer nur unter strenger Beachtung der ökologischen Rahmenbedingungen gelingen. Keine andere Landnutzungsform ist so stark an die natürlichen, standörtlichen Bedingungen gebunden wie die Forstwirtschaft, die gut beraten ist, möglichst viel mit der Natur zu arbeiten und nicht gegen die Natur, will sie langfristig risikoarm und erfolgreich sein. Auf dieser Verknüpfung von Ökonomie und Ökologie in der Waldwirtschaft fußt die fachliche Ausrichtung der NLF.

Worin kommt diese Grundeinstellung besonders zum Ausdruck? Einige Grundsätze sollen dies beleuchten.

1. Standortgemäße Baumartenwahl
Zumindest für alle Forstbetriebe, die von den NLF betreut werden, gibt es ein „Forstliches Standortskartierungswerk“, so auch für den Stadtwald Hildesheim. Hierin sind sämtliche für die Waldentwicklung relevanten Faktoren zusammengetragen und miteinander verschnitten, z. B. Bodenverhältnisse, Niederschlag, Klima, natürliche Waldgesellschaft. Das Standortskartierungswerk ist die entscheidende Grundlage für die Baumartenwahl bei Pflanzungen und natürlichen Waldverjüngungen zum Aufbau stabiler, vielfältiger Wälder.

2. Laub- und Mischwaldvermehrung

Ein zentrales Anliegen des naturnahen Waldbaus sind Aufbau und Förderung von Mischwäldern mit naturnaher Baumartenzusammensetzung, wodurch laubholzbetonter Mischwald Vorrang genießt. Dies fördert gleichzeitig Artenvielfalt und Biodiversität bei allen Lebensformen des Waldes. Um dies zu erreichen, werden zumeist Nadelholzbestände allmählich in Laubwald verwandelt oder Nadelholz-Bestandteile aus Laubwäldern entnommen, um jungen Laubbäumen Platz zu schaffen.
GrafikDas Nadelholz nimmt noch rund ein Viertel der Fläche ein. Laubmischwald überwiegt bei weitem und soll weiter zunehmen. Dazu wird es notwendig sein, die stets vordrängende Buche zurückzunehmen.
Der Steinberg wäre von Natur aus ein reiner Buchenwald, über lange Zeiträume dicht, sehr dunkel und dann ziemlich artenarm ausgeprägt. Um Mischbaumarten zu erhalten, muss schon heute die fast übermächtige Buche zurückgenommen werden, damit lichtbedürftige Baumarten, allen voran die Eichen, überleben können und ein Mischwald erhalten bleibt.

3. Bevorzugung heimischer Baumarten und natürlicher Waldverjüngung

Das Streben nach naturnah aufgebauten Wäldern setzt voraus, dass heimische Baumarten möglichst überwiegen. Als im Steinberg nicht heimisch wären vor allem die Schwarzkiefer, die Lärche und die Fichte anzusehen. Diese Baumarten haben ihre Funktion als „Pionierarten“ bei der Wiederaufforstung des Steinbergs erfüllt. Sie werden heute durch anspruchsvollere und wertvollere heimische Laubhölzer ersetzt. Nadelholz ist im Baumnachwuchs am Steinberg kaum noch vertreten. Dieser Prozess soll bevorzugt auf natürlichem Wege ablaufen, indem der natürlich ankommende Baumnachwuchs gefördert wird. Hierzu ist es lediglich notwendig, das Kronendach des Altbestandes stellenweise zu öffnen, damit die Naturverjüngung das zum Wachstum notwendige Licht bekommt. Hier wird mit dem gearbeitet, was die Natur dem Waldbesitzer schenkt. Ein handfester ökonomischer Vorteil ist auch dabei: Baumpflanzungen sind sehr teuer und können so eingespart werden.

4. Schaffung vielfältiger Waldstrukturen

Monotone, auf großer Fläche einschichtige Waldbestände sollen der Vergangenheit angehören. Vielschichtig und abwechslungsreich strukturierte Wälder halten ein großes Angebot an ökologischen Nischen bereit, sie sind risikoärmer und damit auf lange Sicht ertragreicher und gleichzeitig für Erholungssuchende ungleich attraktiver. Ziel ist es, ein Nebeneinander, Untereinander, einen kleinflächigen Wechsel von jungen und alten Bäumen, oder einfach gesagt ein Durcheinander zu erzeugen. Dies soll erreicht werden durch eher kleinflächige Maßnahmen, die ganz unterschiedliche Wachstumsbedingungen für die Baumarten schaffen und je nach deren Ansprüchen verschiedene Mischungen fördern.

5. Holzernte im Altholz ohne Kahlschlag

Dieser Grundsatz stellt die Voraussetzung für die angestrebten vielfältigen Waldstrukturen dar (Nr. 4). Die Ernte hiebsreifer, starker Bäume soll möglichst in Kleinflächen, Gruppen oder einzeln erfolgen (sog. „Zielstärkennutzung“), sodass danach junge Bäume, ob gepflanzt oder aus Naturverjüngung, sich entwickeln können, geschützt von randlich verbleibenden Bäumen. Die Größe der Fläche, auf der das Altholz geerntet wird, hängt von der waldbaulichen Situation ab: Je nachdem, welche Baumarten den Nachwuchs bilden sollen, ob lichtbedürftige oder schattentolerante Arten, muss die Fläche größer oder kleiner ausfallen. Sind lichtbedürftige Arten im Spiel, wie z. B. der Bergahorn oder die Wildkirsche, wird schon eine Fläche von mindestens 0,3 ha ohne Oberstand notwendig, besser noch mehr.

Ist der Weg richtig oder falsch?
Wir Forstleute nehmen unsere Verantwortung für den Wald am Steinberg wie für den ganzen Hildesheimer Stadtwald ernst und möchten auf unserem oben skizzierten Weg der Waldbehandlung und des Waldaufbaus bleiben – hin zu stabilen, bunt strukturierten, standortgerechten, naturnahen und holzvorratsreichen Mischwäldern, ganz zum Nutzen von Mensch, Natur und Stadtsäckel. Für konstruktive Anregungen und sachliche Kritik sind wir gerne offen und würden uns freuen, mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen. Hierzu bietet das Forstamt Liebenburg in Zusammenarbeit mit dem Ortsrat Moritzberg / Bockfeld Ende September eine Informationsveranstaltung an. Über eine rege Beteiligung würden wir uns freuen.
Dr. Fritz Griese vom Forstamt Liebenburg wird am 28. September 2013 über die Arbeit und die Absichten des Forstamts vor Ort im Steinberg informieren. Treffpunkt für die etwa zweistündige Begehung des Steinbergs ist um 14 Uhr vor der Kupferschmiede. Zum Abschlussgespräch gegen 16 Uhr lädt der Ortsrat in die Kupferschmiede ein.

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