Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 240 · August 2013
Stadtvillen im Tausch gegen Paschenhalle?
(sbr) Der Schornstein auf dem Phoenixgelände – Erinnerung an 135 Jahre Industriekultur am Moritzberg – wird zur Zeit ausgebessert, das Ziegelmauerwerk instandgesetzt. Diese Pflegemaßnahme dient dem Erhalt des Schornsteins, sie ist von der Stadt Hildesheim gefordert. An der Paschenhalle, dem Baudenkmal auf der anderen Seite des Kupferstrangs, sind zur selben Zeit keine Pflegemaßnahmen, keine Reparaturen in Sicht. Die gelben Ziegel sind dort besonders im Bereich der Regenfallrohre zwischen den Segmenten der Halle schwer beschädigt – eine Folge von Frost in durchnässtem Ziegelmauerwerk über mehrere Winter.
Hanseatic möchte tauschen: die Paschenhalle gegen das Haus der Landschaft Am Steine 7, in dem jetzt das Stadtarchiv untergebracht ist. Zum Grundstück der „Landschaft“ gehört ein verwilderter Garten, der sich am Mühlengraben hinzieht: von der Kleinen Venedig hinter Schlegels Weinstuben entlang bis an die Wendeschleife der Straße Am Steine, wo der Palandtweg beginnt. Dieser mit Bäumen und Büschen bestandene Uferstreifen ist im Osten durch die alte Stadtmauer begrenzt. Jenseits der Stadtmauer – bis zu 1,80 Meter höher als der Uferstreifen – liegen der Parkplatz des Roemer- und Pelizaeus-Museums und der Garten von Schlegels Weinstuben. In dem Grünstreifen am Mühlengraben könnte Hanseatic bauen – von mehreren Stadtvillen war im letzten Jahr die Rede, die dort am Wasser entstehen könnten.
Allerdings ist die Paschenhalle Bestandteil eines großen Deals, der Verträge über das gesamte Phoenixgelände – Hanseatic hatte es zu günstigen Bedingungen bekommen, eben weil zwei Baudenkmale, die zu erhalten sind, dazugehören.
Die Vorgespräche zum Tausch – „Paschenhalle gegen Haus der Landschaft“ – laufen hinter verschlossenen Türen. Kurt Machens hat sie zur Chefsache erklärt, das Baudezernat wie auch der Rat bleiben außen vor. Seit dem Frühjahr 2009 gehört der Fachbereich „Wirtschaftsförderung und Liegenschaften“ der Stadt Hildesheim nicht mehr zum Dezernat B der Stadtkämmerei von Dezernentin Antje Kuhne, sondern zum Dezernat A „Zentrale Verwaltungsaufgaben“ des Oberbürgermeisters. Das hatte Kurt Machens bei einer Umstrukturierung der Stadtverwaltung Mitte April 2009 verfügt.
„Beide Zuordnungen sind möglich und kommen in der Praxis vor“, erklärt Hartmut Häger, langjähriges Ratsmitglied und früherer SPD-Fraktionschef. „Das Risiko der neuen Lösung liegt auf der Hand: Wenn das Ansiedlungs- oder das Wirtschaftsinteresse groß ist, werden Liegenschaften schon mal unter Marktpreis verkauft und Ausschreibungen für spezielle Bieter formuliert. Auch wenn alles sauber zugeht, bleibt ein Restmisstrauen. Das wäre nicht so, wenn die Verantwortlichkeiten getrennt wären und die Dezernate dadurch zur Kooperation gezwungen würden.“
Seit der Umstrukturierung fallen einigen Ratsmitgliedern häufiger Grundstücksverkäufe oder -tauschgeschäfte auf, die anscheinend im Geheimen bereits weitgehend abgesprochen sind, ehe die anderen Dezernate und der Rat davon erfahren. Das erschwert fachlich fundierte Planung und Abstimmungen und stellt die sachlich sinnvolle Abfolge auf den Kopf – zäumt sozusagen das Pferd von hinten auf. „Erst kommen die Grundstücksgeschäfte, dann die städtebaulichen Abhängigkeiten“, erklärt Stadtbaurat Dr. Kay Brummer. „Dadurch wird in die Stadtplanung eingegriffen und eine gute städtebauliche Entwicklung erschwert. Vernünftige Stadtentwicklungsplanung ist so kaum möglich.“
Im Falle der Stadtvillen am Mühlengraben greift der Oberbürgermeister auf alte Planungen zurück. Bereits Ende November 2005 hatte Architekt Prof. Sammann von der HAWK im Stadtentwicklungsausschuss ein Konzept für die Bebauung des Uferstreifens vorgestellt. Drei Stadtvillen in lockerer Bebauung hatte sich Stadtbaurat Thomas Kulenkampff dort vorgestellt – etwa eine Million Euro, so gab die HAZ am 25. November 2005 an, könne die Stadt für das Gelände erhalten. Ein Verkauf oder Tausch des Hauses der Landschaft stand damals noch nicht zur Debatte. Verhindert wurde die Bebauung des verwilderten Gartens damals durch den Einspruch der Naturschützer. Die letzten historischen Bürgergärten am Mühlengraben, so machte Maren Burgdorf vom ornithologischen Verein und vom NABU geltend, seien für viele wild lebende Tiere und Pflanzen „Nest-, Brut-, Wohn- und Zufluchtstätte“.
Acht Jahre später werden die alten Pläne wieder herausgeholt – ohne vorherige Abstimmung mit dem Rat und den Verbänden. Ulrich Räbiger, Fraktionschef der Grünen, lehnt das Vorgehen entschieden ab: „Da werden wir nicht mitmachen – die letzten Bürgergärten am Mühlengraben sollen bleiben. Die Mehrheitsgruppe im Rat ist gegen die Bebauung – und ohne uns geht es nun mal nicht.“
Ein Gerüst am Phoenix-Schornstein – das Ziegelmauerwerk wird zur Zeit instandgesetzt
„Die Hanseatic Group spekuliert noch immer darauf, dass die Stadt ihr die Paschenhalle abnimmt, um dort das Stadtarchiv unterzubringen“, vermuten Beobachter angesichts der Untätigkeit des Investors. Mehrfach ist Hanseatic von städtischer Seite angemahnt worden. Auf der Moritzberger Ortsratsitzung Mitte Mai 2013 wies Thomas Malezki von Hanseatic darauf hin, dass die Überlegung, die Paschenhalle für das Stadtarchiv umzubauen, noch nicht zu den Akten gelegt sei. Man suche nach einem weiteren Nutzer, weil die Halle für das Archiv allein zu groß wäre.Hanseatic möchte tauschen: die Paschenhalle gegen das Haus der Landschaft Am Steine 7, in dem jetzt das Stadtarchiv untergebracht ist. Zum Grundstück der „Landschaft“ gehört ein verwilderter Garten, der sich am Mühlengraben hinzieht: von der Kleinen Venedig hinter Schlegels Weinstuben entlang bis an die Wendeschleife der Straße Am Steine, wo der Palandtweg beginnt. Dieser mit Bäumen und Büschen bestandene Uferstreifen ist im Osten durch die alte Stadtmauer begrenzt. Jenseits der Stadtmauer – bis zu 1,80 Meter höher als der Uferstreifen – liegen der Parkplatz des Roemer- und Pelizaeus-Museums und der Garten von Schlegels Weinstuben. In dem Grünstreifen am Mühlengraben könnte Hanseatic bauen – von mehreren Stadtvillen war im letzten Jahr die Rede, die dort am Wasser entstehen könnten.
Die Paschenhalle in der Warteschleife – statt sich zu kümmern, hoffen die Eigentümer auf ein günstiges Tauschgeschäft mit der Stadt
Paschenhalle gegen Haus der Landschaft – die Idee kam vor mehr als einem Jahr von Oberbürgermeister Kurt Machens. Den Gegenwert von Haus und Grundstück der „Landschaft“, so wurde der Gedanke weitergesponnen, könnte Hanseatic in die Paschenhalle stecken, um sie zu sanieren und umzubauen. Hanseatic wäre damit die schwer vernachlässigte Paschenhalle, ein Industriedenkmal der 1950er Jahre, los und hätte am
Mühlengraben lukratives Bauland.Fotos (2): sbr
Allerdings ist die Paschenhalle Bestandteil eines großen Deals, der Verträge über das gesamte Phoenixgelände – Hanseatic hatte es zu günstigen Bedingungen bekommen, eben weil zwei Baudenkmale, die zu erhalten sind, dazugehören.
Die Vorgespräche zum Tausch – „Paschenhalle gegen Haus der Landschaft“ – laufen hinter verschlossenen Türen. Kurt Machens hat sie zur Chefsache erklärt, das Baudezernat wie auch der Rat bleiben außen vor. Seit dem Frühjahr 2009 gehört der Fachbereich „Wirtschaftsförderung und Liegenschaften“ der Stadt Hildesheim nicht mehr zum Dezernat B der Stadtkämmerei von Dezernentin Antje Kuhne, sondern zum Dezernat A „Zentrale Verwaltungsaufgaben“ des Oberbürgermeisters. Das hatte Kurt Machens bei einer Umstrukturierung der Stadtverwaltung Mitte April 2009 verfügt.
„Beide Zuordnungen sind möglich und kommen in der Praxis vor“, erklärt Hartmut Häger, langjähriges Ratsmitglied und früherer SPD-Fraktionschef. „Das Risiko der neuen Lösung liegt auf der Hand: Wenn das Ansiedlungs- oder das Wirtschaftsinteresse groß ist, werden Liegenschaften schon mal unter Marktpreis verkauft und Ausschreibungen für spezielle Bieter formuliert. Auch wenn alles sauber zugeht, bleibt ein Restmisstrauen. Das wäre nicht so, wenn die Verantwortlichkeiten getrennt wären und die Dezernate dadurch zur Kooperation gezwungen würden.“
Seit der Umstrukturierung fallen einigen Ratsmitgliedern häufiger Grundstücksverkäufe oder -tauschgeschäfte auf, die anscheinend im Geheimen bereits weitgehend abgesprochen sind, ehe die anderen Dezernate und der Rat davon erfahren. Das erschwert fachlich fundierte Planung und Abstimmungen und stellt die sachlich sinnvolle Abfolge auf den Kopf – zäumt sozusagen das Pferd von hinten auf. „Erst kommen die Grundstücksgeschäfte, dann die städtebaulichen Abhängigkeiten“, erklärt Stadtbaurat Dr. Kay Brummer. „Dadurch wird in die Stadtplanung eingegriffen und eine gute städtebauliche Entwicklung erschwert. Vernünftige Stadtentwicklungsplanung ist so kaum möglich.“
Im Falle der Stadtvillen am Mühlengraben greift der Oberbürgermeister auf alte Planungen zurück. Bereits Ende November 2005 hatte Architekt Prof. Sammann von der HAWK im Stadtentwicklungsausschuss ein Konzept für die Bebauung des Uferstreifens vorgestellt. Drei Stadtvillen in lockerer Bebauung hatte sich Stadtbaurat Thomas Kulenkampff dort vorgestellt – etwa eine Million Euro, so gab die HAZ am 25. November 2005 an, könne die Stadt für das Gelände erhalten. Ein Verkauf oder Tausch des Hauses der Landschaft stand damals noch nicht zur Debatte. Verhindert wurde die Bebauung des verwilderten Gartens damals durch den Einspruch der Naturschützer. Die letzten historischen Bürgergärten am Mühlengraben, so machte Maren Burgdorf vom ornithologischen Verein und vom NABU geltend, seien für viele wild lebende Tiere und Pflanzen „Nest-, Brut-, Wohn- und Zufluchtstätte“.
Acht Jahre später werden die alten Pläne wieder herausgeholt – ohne vorherige Abstimmung mit dem Rat und den Verbänden. Ulrich Räbiger, Fraktionschef der Grünen, lehnt das Vorgehen entschieden ab: „Da werden wir nicht mitmachen – die letzten Bürgergärten am Mühlengraben sollen bleiben. Die Mehrheitsgruppe im Rat ist gegen die Bebauung – und ohne uns geht es nun mal nicht.“