Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 245 · Februar 2014
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Bebauung Moritzstraße

Anwohner schützen Grundstück durch Kauf

(sbr) Von Haus zu Haus wanderte der Hilferuf, von Haus zu Haus wanderte auch die rettende Idee: Nachbarn aus Moritz-, Krehla- und Zierenbergstraße kauften kürzlich gemeinsam ein Grundstück, damit es nicht bebaut wird.

Das Grundstück neben dem Spielplatz Moritzstraße, früher als „Krehla“-Kaffeegarten, dann als Parkplatz genutzt, sollte nach Planungen vom Herbst 2013 massiv bebaut werden – bis auf die Grundstücksgrenzen. Von drei bis vier Reihenhäusern und einer Tiefgarage mit mindestens 25 Stellplätzen war in der Ortsratsitzung am 26. November 2013 die Rede. Der Ortsrat sollte zustimmen. Das Vorhaben wurde mit dem Grundstückseigentümer Immobilienhändler Stefan Schubert, mit Herwart Kraaz vom städtischen Planungsamt und den Besuchern der Sitzung heftig diskutiert.
MoritzstraßeFünf Anwohnerparteien haben das „Parkplatz-Grundstück“ (Bildmitte) des „Krehla“ an der Moritzstraße gekauft, damit es nicht bebaut wird. So bleibt neben dem Spielplatz (ganz hinten im Bild) und dem „Krehla“-Kerngrundstück gegenüber ein Stück vom Charakter des traditionellen Krehla-Gartenlandes erhalten.
Foto: Sven Leester
Das Planungsamt hatte vor, im Eilverfahren den Bebauungsplan HW 42 von 1967 zu ändern, damit das „Parkplatz-Grundstück“ bebaut werden könnte. Dies Grundstück ist eine von vier Teilflächen aus dem Verkauf von Gartenland der „Krehla“-Obstweinschenke in den 1980er Jahren. Für alle vier Teile zusammen war eine zulässige Bebauungsdichte festgelegt worden. Durch die Blocks Zierenbergstraße 18 – 20 von 1988 und den Neubau Moritzstraße 23 in 2013 wurde die zulässige Bebauung bis an die Grenzen ausgeschöpft – das Parkplatz-Grundstück musste zum Ausgleich von Bauten frei bleiben.

Das sei „ungerecht“, vertrat Planer Kraaz. Aus seiner Sicht sei es richtig, die „Baulücke“ neben dem Spielplatz zu schließen. Dagegen argumentierten verschiedene Besucher lebhaft – allen voran Architekt Norbert Siemon, der die drei anderen Grundstücke so dicht wie möglich bebaut hatte. Das war ihm im Übrigen nur möglich gewesen, weil er für die Mieter bzw. Käufer seiner Wohnungen auf dem Parkplatz-Grundstück die geforderten PKW-Einstellplätze nachweisen konnte – 25 Einstellplätze waren per Baulast im Grundbuch eingetragen worden. Auch wenn sie nicht unbedingt genutzt werden, müssen sie vorgehalten werden – ein zweiter Grund also, dies Grundstück frei zu halten.

Der geänderte Bebauungsplan, den das Planungsamt vorbereitet hatte, sollte nun die Grenzen für die Bebauung der Moritzstraße anheben. Er hätte aber nicht die eingetragenen Parkplatz-Baulasten beseitigen können. Bei einem Investor war deshalb der Plan gereift, auf diesem letzten freien Grundstück eine Tiefgarage mit mindestens 25 Einstellplätzen – mit Zufahrt von der Moritzstraße – in den Krehlaberg zu bauen und mehrgeschossige Wohnhäuser „für junge Familien mit Kindern“ oben drauf. Auch die „jungen Familien“ würden wiederum Parkplätze brauchen, die stellte das Planungsamt vor den geplanten Neubauten auf der Moritzstraße in Aussicht.
MoritzstraßeHelmut Speer hat den Kauf des Grundstücks vor seiner „Krehla“ - Bildhauerwerkstatt auf den Weg gebracht
„Das Fass ist voll“, kommentierte ein Besucher der Ortsratsitzung, „und nun soll noch mehr erlaubt werden“. Bislang war für die Moritzstraße die offene Bauweise festgesetzt, traditionell prägten Doppelhäuser das Bild auf der Westseite der Straße. Die neueren Blocks auf der Ostseite stören das Straßenbild bereits erheblich.

Das „Krehla“-Stammhaus von 1853 und die ursprünglich zugehörigen Nachbar-Nebengebäude sind die ältesten Bauten auf dem Krehlaberg, das Stammhaus steht mit seiner hohen Hainbuchen-Hecke unter Denkmalschutz. Das umstrittene Parkplatz-Grundstück gegenüber, auch mit Hecke, unterstreicht das Erscheinungsbild des „Krehla“. Um dies Ambiente zu erhalten statt zuzuschauen, wie es zugebaut würde, schlug ein Besucher der Ortsratsitzung vor, das Parkplatz-Grundstück zu kaufen – und als Parkplatz zu belassen. Immobilienmakler Schubert zeigte vorsichtiges Entgegenkommen, Ortsbürgermeister Erhard Paasch verwies die Interessenten vor die Tür, um sich über einen Termin für „reale Verhandlungen“ zu einigen. Der Ortsrat, so Paasch, werde vorläufig nicht befürworten, dass der alte Bebauungsplan geändert würde. Der Stadtentwicklungsausschuss solle dem Ortsrat Zeit bis zur Februar-Sitzung lassen, um die Entwicklung abzuwarten.
MoritzstraßeAlmut Schwencker und Frank Metge wohnen seit drei Jahren auf dem Krehla. Arne (6 Wochen alt) und Henry (2 ½ Jahre) werden das Parkplatz-Grundstück zum Spielen nutzen.
In der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am 4. Dezember konnte Paasch bereits den Eigentümer des „Krehla“-Stammhauses, Helmut Speer, stellvertretend für eine ganze Gruppe entschlossener Kaufinteressenten vorstellen. Der Tagesordnungspunkt zur B-Plan-Änderung Moritzstraße hatte sich damit erledigt.

Speer und vier weitere Parteien, alle Nachbarn aus dem Viertel, machten in kurzer Zeit Nägel mit Köpfen. Schon vor Weihnachten gründeten sie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die „Parkplatzgemeinschaft Moritzstraße“ und unterschrieben den Kaufvertrag. Der Verkäufer wurde „gesättigt“, der Preis lag im höheren fünfstelligen Bereich. Von den neuen Besitzern wird das Grundstück gemeinsam verwaltet, genutzt und gestaltet – nicht nur zum Parken für den Eigenbedarf und Nachbarn, sondern auch, weil fünf Kinder zu den beteiligten Familien gehören, zum Spielen. Parkplatz und Spielplatz – diese Nutzung ist vertraglich festgelegt, Nutzungsänderungen sind nur einstimmig möglich. Dadurch ist gesichert, dass nicht gebaut werden kann.

Moritzstraße„Wenigstens ein bisschen vom alten Moritzberg retten“ – Heidi Leester mit Ehemann Dieter, Sohn Sven und Mutter Marlit im großelterlichen Haus kennt noch den freien Blick auf die Stadt im gesamten Verlauf der Moritzstraße.
Fotos (3): sbr
„Für die Kinder kann hier ein Baumhaus entstehen“, schlägt Helmut Speer, der Motor der Nachbarschaftsaktion vor, „vielleicht stelle ich auch eine Skulptur aus unserer Werkstatt im ,Krehla' auf. Vom Dachgeschoss unseres Hauses können wir weiterhin auf die Stadt blicken und der Nachbar oben an der Godehardistraße kann es auch. Wir sind einfach froh, dass alles so bleibt.“

So sieht es auch Ulrich Witt weiter unten am Hang in der Zierenbergstraße, ihm hätte eine viele Meter hohe Betonwand dicht hinter dem Wohnzimmerfenster gedroht. „Die Nachricht lief in der Moritzstraße von Haus zu Haus“, freut sich Heidi Leester. „Und von Haus zu Haus haben wir uns zusammengefunden und unseren Plan umgesetzt – das ist für mich gute Nachbarschaft.“
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