Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 247 · April 2014
Steinberg: Nun geht’s ins Detail
Erholungswald oder Nutzwald?
(sbr) Das Urteil kam überraschend deutlich. „Die derzeitige Art der Waldbehandlung im Steinberg nimmt keine Rücksicht auf Erholungsaspekte“ – fasste Martin Levin, Forstamtsleiter der Stadt Göttingen, nach einem Rundgang durch den Steinberg im Dezember 2013 schriftlich zusammen. Levin hatte zuvor im Herbst 2013 in einem Vortrag die naturnahe Bewirtschaftung des Göttinger Stadtwaldes vorgestellt. Daraufhin hatten Dr. Fritz Griese und Michael Eikemeier vom niedersächsischen Forstamt Liebenburg, das den Hildesheimer Stadtwald pflegt, ihre Arbeitsweise nach dem LÖWE-Konzept vor Ort im Steinberg erläutert.
Aufgrund der Stadtnähe, durch das Wildgehege und durch die „Kupferschmiede“ sei der Steinberg vom Schwerpunkt her ein Erholungswald, folgerte Levin. Die zuständigen Förster würden ihn aber vorrangig als Nutzwald bewirtschaften. Ein Erholungswald zeichnet sich nach neueren Forschungen vor allem aus durch: alte Bäume, alten Wald, ansprechende „Charakterbäume“, den Eindruck unberührter Natur ohne wirtschaftliche Eingriffe, durch geschwungene Wegeführung, Ausblicke und durch Nadelholzbeimischung als Wintergrün. Das würde in der Pflege des Steinbergs nicht beachtet. „Die Ziele des derzeitig praktizierten LÖWE-Konzeptes sind mit den Zielen eines stadtnahen Erholungswaldes nicht vereinbar.“
Levin empfahl, anstelle des „Rundum-Sorglos-Pakets“, mit dem die Stadt ihre Einflussmöglichkeiten an das Forstamt abgegeben habe, die Bewirtschaftung wieder selbst zu übernehmen. Sie war vor 30 Jahren vom damaligen Oberstadtdirektor an die Niedersächsischen Landesforsten vergeben worden.
Levins Einschätzung brachte die Unterschiede in der Waldbewirtschaftung deutlich auf den Punkt. Das trug zu Klärung bei, brachte aber auch Ärger. Als „ungeheuerlich“ empfand einer der Ratsherren, selbst Landwirt, die Beurteilung nach Augenschein, ohne Zahlen. Forstamtsleiter Griese aus Liebenburg nahm in der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses Mitte März 2014 Stellung zu Levins Urteil. Griese bezifferte den jährlichen Gewinn der Stadt durch die Vergabe der Forstbetreuung an die Niedersächsischen Landesforsten, Forstamt Liebenburg: 175.000 Euro Gewinn blieben nach Abzug der Kosten im Jahr 2011, 159.000 Euro in 2012 und 111.000 Euro (durch hohe Kosten für den Wegebau) in 2013.
Griese argumentierte mit Zahlen: Beim Bestand, beim Holzzuwachs, beim Hiebsatz und bei der Artenvielfalt zeige der Steinberg besonders gute Werte – gut für den Wald und gut für die Stadt Hildesheim als Eigentümerin. Erholungsfunktion und Nutzfunktion seien vereinbar. 85 Prozent des Waldes wären mehrschichtig aufgebaut, also wachse er gut nach.
Für den um den Wald besorgten Laien erneut verwirrende Widersprüche: Nach Levin werden recht viele Bäume gefällt, um im Steinberg hohe Gelderträge zu erzielen. Laut Dr. Griese fallen sie, damit der Waldboden hell wird und junge Bäume nachwachsen können. Levin wiederum: Wo 2013 ganze Kiefergruppen gefällt wurden, sei durch Brombeere und Holunder der Boden bereits verwildert, dort werde so schnell kein Baum nachwachsen.
Hilfreich zur Beurteilung ist vielleicht diese Beobachtung: Dr. Griese belegt seine Erfolgsbotschaft quantitativ, mit Zahlen. Martin Levin begründet seine kritische Bewertung qualitativ, mit dem beobachteten Augenschein – so wie auch die Bürger, die unzufrieden sind mit der Entwicklung im Steinberg. Die beiden Forstfachleute bleiben dabei ihrer Zielsetzung treu: Dem Steinberg als Nutzwald entspricht ein Zahlenwerk; der Steinberg als Erholungswald ist vor allem dadurch erfahrbar, wie er auf die Augen, die Ohren, auf das unmittelbare Erleben wirkt.
In Bezug auf die Aufgaben der Stadt und des Stadtrats kommen Levin und Griese zu ähnlichen Forderungen: Die Stadt, so Levin, müsse ihre Ziele zusammen mit den Bürgern klären, den Steinberg am besten aus der forstwirtschaftlichen Nutzung nehmen und das dem Forstamt nahe bringen – oder in Eigenregie mit eigener Forstbehörde umsetzen. Auch Dr. Griese vom Forstamt Liebenburg wünscht sich mehr Gespräche mit der Stadt: Interesse für die Planungen und die Arbeit der Förster habe man bislang wenig gezeigt, das Betriebswerk 2007 sei einstimmig beschlossen worden. Gern möchte er den Stadtrat für die Details des neu aufzustellenden Betriebswerks interessieren. Am 9. April, 16 Uhr, wird Griese deshalb mit dem Steba-Ausschuss einen Waldbegang am Steinberg machen. Der niedersächsische Forstamtsleiter kann sich durchaus einen anderen Umgang mit dem Hildesheimer Wald vorstellen. 20 Hektar ganz aus der Nutzung zu nehmen, könne er zum Beispiel empfehlen. „Neue Zielsetzungen, Aufträge für eine andere Bewirtschaftungsweise – wir wären als Dienstleister gern dabei.“
Erholungswald spricht alle Sinne an und bietet Erlebnisse – maximaler Einsatz von Technik für gute Holzerträge zerstört genau diesen Reiz
„Schwer zu sagen, wie stark sich die beiden Methoden unterscheiden“, empfanden die Ortsratmitglieder und die beteiligten Bürger nach der ersten Runde. LÖWE heißt in diesem Zusammenhang immerhin „Langfristige ökologische Waldentwicklung“. Sollte dieser Name Fassade sein? Aus Sicht Levins ist die Sorge der Anwohner, die ihn nun erneut nach Hildesheim holten, verständlich. Im Steinberg sehe es tatsächlich so aus, als ginge es um „vorrangige kurzfristige Ertragsmaximierung“ statt um „langfristige ökologische Verbesserung des Waldes“.Foto: sbr
Aufgrund der Stadtnähe, durch das Wildgehege und durch die „Kupferschmiede“ sei der Steinberg vom Schwerpunkt her ein Erholungswald, folgerte Levin. Die zuständigen Förster würden ihn aber vorrangig als Nutzwald bewirtschaften. Ein Erholungswald zeichnet sich nach neueren Forschungen vor allem aus durch: alte Bäume, alten Wald, ansprechende „Charakterbäume“, den Eindruck unberührter Natur ohne wirtschaftliche Eingriffe, durch geschwungene Wegeführung, Ausblicke und durch Nadelholzbeimischung als Wintergrün. Das würde in der Pflege des Steinbergs nicht beachtet. „Die Ziele des derzeitig praktizierten LÖWE-Konzeptes sind mit den Zielen eines stadtnahen Erholungswaldes nicht vereinbar.“
Levin empfahl, anstelle des „Rundum-Sorglos-Pakets“, mit dem die Stadt ihre Einflussmöglichkeiten an das Forstamt abgegeben habe, die Bewirtschaftung wieder selbst zu übernehmen. Sie war vor 30 Jahren vom damaligen Oberstadtdirektor an die Niedersächsischen Landesforsten vergeben worden.
Levins Einschätzung brachte die Unterschiede in der Waldbewirtschaftung deutlich auf den Punkt. Das trug zu Klärung bei, brachte aber auch Ärger. Als „ungeheuerlich“ empfand einer der Ratsherren, selbst Landwirt, die Beurteilung nach Augenschein, ohne Zahlen. Forstamtsleiter Griese aus Liebenburg nahm in der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses Mitte März 2014 Stellung zu Levins Urteil. Griese bezifferte den jährlichen Gewinn der Stadt durch die Vergabe der Forstbetreuung an die Niedersächsischen Landesforsten, Forstamt Liebenburg: 175.000 Euro Gewinn blieben nach Abzug der Kosten im Jahr 2011, 159.000 Euro in 2012 und 111.000 Euro (durch hohe Kosten für den Wegebau) in 2013.
Griese argumentierte mit Zahlen: Beim Bestand, beim Holzzuwachs, beim Hiebsatz und bei der Artenvielfalt zeige der Steinberg besonders gute Werte – gut für den Wald und gut für die Stadt Hildesheim als Eigentümerin. Erholungsfunktion und Nutzfunktion seien vereinbar. 85 Prozent des Waldes wären mehrschichtig aufgebaut, also wachse er gut nach.
Für den um den Wald besorgten Laien erneut verwirrende Widersprüche: Nach Levin werden recht viele Bäume gefällt, um im Steinberg hohe Gelderträge zu erzielen. Laut Dr. Griese fallen sie, damit der Waldboden hell wird und junge Bäume nachwachsen können. Levin wiederum: Wo 2013 ganze Kiefergruppen gefällt wurden, sei durch Brombeere und Holunder der Boden bereits verwildert, dort werde so schnell kein Baum nachwachsen.
Hilfreich zur Beurteilung ist vielleicht diese Beobachtung: Dr. Griese belegt seine Erfolgsbotschaft quantitativ, mit Zahlen. Martin Levin begründet seine kritische Bewertung qualitativ, mit dem beobachteten Augenschein – so wie auch die Bürger, die unzufrieden sind mit der Entwicklung im Steinberg. Die beiden Forstfachleute bleiben dabei ihrer Zielsetzung treu: Dem Steinberg als Nutzwald entspricht ein Zahlenwerk; der Steinberg als Erholungswald ist vor allem dadurch erfahrbar, wie er auf die Augen, die Ohren, auf das unmittelbare Erleben wirkt.
In Bezug auf die Aufgaben der Stadt und des Stadtrats kommen Levin und Griese zu ähnlichen Forderungen: Die Stadt, so Levin, müsse ihre Ziele zusammen mit den Bürgern klären, den Steinberg am besten aus der forstwirtschaftlichen Nutzung nehmen und das dem Forstamt nahe bringen – oder in Eigenregie mit eigener Forstbehörde umsetzen. Auch Dr. Griese vom Forstamt Liebenburg wünscht sich mehr Gespräche mit der Stadt: Interesse für die Planungen und die Arbeit der Förster habe man bislang wenig gezeigt, das Betriebswerk 2007 sei einstimmig beschlossen worden. Gern möchte er den Stadtrat für die Details des neu aufzustellenden Betriebswerks interessieren. Am 9. April, 16 Uhr, wird Griese deshalb mit dem Steba-Ausschuss einen Waldbegang am Steinberg machen. Der niedersächsische Forstamtsleiter kann sich durchaus einen anderen Umgang mit dem Hildesheimer Wald vorstellen. 20 Hektar ganz aus der Nutzung zu nehmen, könne er zum Beispiel empfehlen. „Neue Zielsetzungen, Aufträge für eine andere Bewirtschaftungsweise – wir wären als Dienstleister gern dabei.“